Präimplantationsdiagonistik-Verordnung tritt in Kraft

Die Büchse der Pandora?

Am 1. Februar trat die Verordnung in Kraft, die Gentests an Embryonen möglich macht. In den meisten Bundesländern steht die Umsetzung noch ganz am Anfang. Die katholische Kirche ist weiterhin gegen die Verordnung.

Autor/in:
Martin Korden
 (DR)

Als der Bundestag im Juli 2011 die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) beschloss, folgte sogleich ein wichtiger Zusatz. Sie darf nur durchgeführt werden, wenn die Nachkommen eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine schwerwiegende Erbkrankheit hätten oder die Schwangerschaft in einer Fehl- oder Totgeburt enden könnte. Doch schon bei den wenig später einsetzenden Überlegungen, was unter den Begriff "schwerwiegend" fällt und wo die hohe Wahrscheinlichkeit anfängt, offenbarten sich die Schwierigkeiten der Verordnung. Schon lange sieht der Medizin- und Bioethiker der Universität Freiburg, Professor Giovanni Maio, in vorgeburtlicher Diagnostik ein generelles Problem. "Den Schritt zu sagen: 'Es gibt ein Leben, das nicht sein soll' halte ich schon für verfehlt. Ich denke, dass wir dem ungeborenen Leben nur gerecht werden, in dem wir dieses Leben nicht erst prüfen, bevor wir Ja zu ihm sagen."

Bevor die Mediziner bei der PID prüfen, ob bei dem künstlich erzeugten Leben möglicherweise eine Erbkrankheit oder schwere Schädigung vorliegt, kommt eine andere Prüfungskommission zum Einsatz. Die Verordnung sieht nämlich vor, dass die Bundesländer Ethik-Kommissionen bilden. Diese sollen über jeden einzelnen Fall entscheiden, bevor die PID tatsächlich möglich sein soll. Und genau hier liegt ein weiteres Problem. Die Kriterien für die Prüfung sind nicht eindeutig festgelegt. Eine Ethik-Kommission im Norden könnte beispielsweise einen Antrag der Eltern auf Präimplantationsdiagnostik ablehnen, die Kommission im Süden dagegen zustimmen. So könnte es sogar zu einem "Ethik-Kommissions-Hopping" kommen. Medizinethiker Maio sieht ein weiteres generelles Problem in den immer größer werdenden Möglichkeiten von vorgeburtlichen Tests – und zwar für die Eltern. "Je mehr wir testen können, desto mehr Ansprüche werden entstehen an die werdenden Eltern. Denn je mehr möglich ist, desto mehr gilt dann auch als unerträglich. Das Grundproblem ist, dass dann die Toleranz gegenüber dem Leben, das vielleicht nicht geltenden Normen entspricht, abnimmt.“

Somit wäre also die Frage zu klären: Was ist unerträglich? Der Bundestag spricht von der zu erwartenden Tot- oder Fehlgeburt. Aber eben auch von Fällen mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine schwere Erbkrankheit. Und hier schließen sich direkt weitere Fragen an: Wo fängt "schwer" an? Ab wann spricht man von "Wahrscheinlichkeit"? Hier liegt ein weiterer Kritikpunkt an der PID-Verordnung. Wie die Kommissionen mit den vom Bundestag schwammig formulierten Begrenzungen umgehen, muss gar nicht erfasst werden. Man wird nicht erfahren wie streng oder fahrlässig mit der PID umgegangen wird.

Die Demut fehlt

Auch der rasante Fortschritt der Medizin leistet dabei seinen Beitrag. Immer mehr geht es um Machbarkeit. Darum glaubt Prof. Maio vor allem, "dass die Medizin neu lernen muss im Angesicht eines neues Lebens zunächst einmal ein Stück Demut an den Tag zu legen. Wir müssen anerkennen, dass dieses Leben etwas Unverfügbares ist und dass wir diesem Leben nur gerecht werden, wenn wir zunächst einmal Achtung haben. Das ist etwas, was der modernen Medizin vollkommen abhanden gekommen ist."
Doch es liegt eben nicht allein an der Medizin. Sie wird nicht entscheiden, ob die von ihr entwickelten Tests auch angewandt werden, mit der Folge menschliches Leben auszusortieren. "Die Medizin ist natürlich nur Resultat einer Gesellschaft, die heute viel lieber von Freiheit und Machbarkeit etwas hören möchte und solche Begriffe wie Demut, Achtung, Besonnenheit vor jedem Leben im Grunde ungern hört", so Maio.

Vor allem Behindertenverbände, Medizinethiker und die katholische Kirche lehnen die PID ab. Die Verordnung tritt zwar mit dem 1. Februar 2014 in Kraft, doch nur in sechs Bundesländern könnte es im Laufe des Monats losgehen. Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern haben eine gemeinsame Ethik-Kommission gegründet. Diese in der Verordnung vorgeschriebenen Kommissionen müssen dann über jeden Einzelfall entscheiden. Erst nach ihrer Genehmigung kann eine PID vorgenommen werden. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise oder in Berlin stehen Ethik-Kommissionen und Standorte für Zentren noch gar nicht fest.


Quelle:
DR