Forscher: Waffenbesitz und Rassismus sind Ursachen für Fall Trayvon Martin

Tief verankerte Probleme

Nach dem umstrittenen Freispruch im Fall des erschossenen schwarzen Jugendlichen Trayvon Martin weiten sich die Proteste in den USA aus. Nordamerika-Experte Christian Lammert analysiert im domradio.de-Interview die Hintergründe.

Empörung in den USA über den Fall Trayvon Martin (dpa)
Empörung in den USA über den Fall Trayvon Martin / ( dpa )

domradio.de: Der Freispruch schlägt heftige Wellen in den USA. Warum?

Lammert: Es gibt Proteste in allen Städten, und die könnten sich ausweiten. Eine Reaktionen, die man in den USA häufig sieht bei umstrittenen Gerichtsentscheidungen - vor allem gegen Schwarze. Unterschwellig handelt es sich hier um das Rassismus-Problem, das noch immer in der amerikanischen Gesellschaft tief verankert ist.

domradio.de: Wie konnte es passieren, dass ein Teenager getötet wird, der unbewaffnet war und von Zimmerman offenbar als gefährlich eingeschätzt wurde?

Lammert: Da kommt einiges zusammen, eben auch Rassismus: Ein schwarzer Jugendlicher mit Kapuzenpullover erzeugt offenbar das Bild eines jungen Verbrechers. Dann ist da noch die extrem laxe Waffengesetzgebung in den USA, die schon bei einer subjektiven Bedrohungslage die Selbstverteidigung rechtfertigt. Und: eine Privatisierung des Sicherheitssektors. Dieser Fall ereignete sich in einer sogenannten "gated community", also in einer etwas wohlhabenderen, eingezäunten Wohnsiedlung, die von einer Nachbarschaftsbürgerwehr bewacht wird. Die Tat muss unter Berücksichtigung dieser Faktoren eingeordnet werden.

domradio.de: Welche Rolle spielt die Bürgerwehr in den USA?

Lammert: Das ist aktuell auch eine der großen Fragen in den USA. Denn eigentlich ist die Bürgerwehr nur dazu da, ein offenes Auge zu haben und die Polizei zu rufen, wenn man Verdächtiges sieht. Aber natürlich sind die alle bewaffnet. Und wenn man dann eine Gesetzgebung hat, die schon bei einer subjektiven Bedrohung den Einsatz von Waffen erlaubt, führt eben genau das dazu, dass die Waffen eingesetzt werden. Das ist das Schwierige an diesem Fall.

domradio.de: Nun sind die USA eine christliche Nation. Wie passt das zusammen mit den Waffen?

Lammert: Das kann nur aus der Historie der USA heraus verstehen: der Zusammenschluss verschiedener Staaten, die Angst vor einer großen tyrannischen Zentralregierung, wegen der im Zweiten Verfassungszusatz steht, dass man Milizen bilden kann und das Recht besitzt, Waffen zu tragen. Das hat sich lange herausgebildet. Inzwischen gibt es mit der „National Rifle Association“ eine große Interessengruppe. In den Köpfen der Amerikaner hat es sich fest eingepflanzt, dass sie das Recht auf Selbstverteidigung haben.

domradio.de: Was sollte die US-Gesellschaft aus dieser Tragödie lernen?

Lammert: Ich hoffe, dass es innerhalb der bereits laufenden Debatte über eine Verschärfung des Waffenrechts eine Rolle spielen wird. Es gab die vielen schrecklichen Amokläufe an Schulen, nach denen die Obama-Administration bereits versucht hat, das Waffenrecht zu verschärfen. Große Mehrheiten innerhalb der Gesellschaft sprechen sich auch inzwischen dafür aus. Aber im politischen System ist es im Moment schwierig, Entscheidungen durchzusetzen. Auf der anderen Seite muss sich die amerikanische Gesellschaft intensiver mit dem immanenten Problem des Rassismus auseinandersetzen, das hier auch wieder deutlich geworden ist.

Das Gespräch führte Verena Tröster.


Quelle:
DR