Was der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff bedeutet

Mehr Hilfen für Demenzkranke und Angehörige

Verbesserte Leistungen für Demenzkranke und ihre Angehörigen - das ist das Ziel, das alle Parteien durch eine weitere Reform der Pflegeversicherung anstreben. Notwendig dafür ist eine Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Am Donnerstag hat die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission dazu Vorschläge gemacht und ihren lang erwarteten Bericht vorgelegt.

Autor/in:
Christoph Arens
3 Millionen Demenzkranke bis 2050 (dpa)
3 Millionen Demenzkranke bis 2050 / ( dpa )

Was soll die Pflegeversicherung erreichen?

Die Pflegeversicherung wurde 1995 als fünfte Säule der Sozialversicherungen eingeführt. Sie soll verhindern, dass Pflegebedürftige in die Sozialhilfe abrutschen. 2011 waren rund 69,5 Millionen Bundesbürger Mitglied in der sozialen Pflegeversicherung, 9,4 Millionen waren privat versichert.

Welche Leistungen bietet die gesetzliche Pflegeversicherung?

Die gesetzliche Pflegeversicherung arbeitet nach dem Grundsatz "ambulant vor stationär". Rund 2,25 Millionen Menschen nehmen Leistungen in Anspruch. Dabei erhalten rund 1,67 Millionen ambulante Leistungen, stationär gepflegt werden rund 750.000 Menschen.

Warum ist der Pflegebedürftigkeitsbegriff so wichtig?

Der Pflegebedürftigkeitsbegriff definiert, wer welche Ansprüche auf Leistungen der Pflegeversicherung hat. Politiker und Pflegeexperten sind sich einig, dass die geltende Definition der Pflegebedürftigkeit zu eng gefasst ist, weil nur körperliche Einschränkungen Geltung finden. Um der wachsenden Zahl Demenzkranker gerecht zu werden, soll künftig auch der besondere Hilfs- und Betreuungsbedarf von Menschen mit kognitiven oder geistigen Einschränkungen berücksichtigt werden. Pflegebedürftigkeit soll sich am Grad der Selbstständigkeit beziehungsweise des Verlustes von Selbstständigkeit messen.

Welche Ziele verfolgt die Reform der Versicherung?

Alle Parteien wollen, dass insbesondere Demenzkranke und ihre Angehörigen besser gestellt werden. Nach Schätzungen gibt es heute in Deutschland rund 1,4 Millionen Demenzkranke. Bis 2030 wird ein Anstieg auf bis zu 2,2 Millionen erwartet. Konkret schlagen die Experten in ihrem Bericht vor, die aktuell geltenden drei Pflegestufen durch fünf Pflegegrade abzulösen, die auch den Betreuungsbedarf von dementiell erkrankten und psychisch kranken Menschen umfassen.

Wann ist mit einer Reform zu rechnen?

Bis der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff in ein Gesetz eingearbeitet wird, könnten nach Schätzungen zwei Jahre vergehen. Sicher ist, dass es vor der Bundestagswahl keine Regelung mehr geben wird. Die schwarz-gelbe Koalition hatte deshalb im Vorgriff eine kleine Reform der Pflegeversicherung verabschiedet, die zum 1. Januar 2013 in Kraft trat. Menschen mit Demenz oder geistiger Behinderung, die von Angehörigen zu Hause gepflegt werden und in keiner Pflegestufe sind, erhalten seitdem höhere Leistungen. Außerdem können pflegende Angehörige leichter eine Auszeit nehmen. Außerdem fördert die Pflegeversicherung seitdem neue Wohn- und Betreuungsformen.

Wie soll die neue Reform finanziert werden?

Schon für die "kleine Reform" der Pflegeversicherung wurde der Beitrag um 0,1 Prozentpunkte angehoben. Für die geplante große Reform rechnen Experten mit Kosten von mindestens 2 Milliarden Euro. Der Beitrag dürfte deshalb um weitere 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte erhöht werden.

Warum sollen die Bürger zusätzlich bei der Pflege vorsorgen?

Die Bundesregierung hat beschlossen, eine private Zusatzpflegeversicherung steuerlich zu fördern. Denn die gesetzliche Versicherung deckt die Pflegekosten nur zum Teil ab. Kritiker monieren, die Zusatzversicherung sei Klientelpolitik zugunsten der Versicherungswirtschaft. Geringverdiener könnten sich eine private Zusatzversicherung gar nicht leisten. Außerdem seien die erwartbaren Leistungen sehr gering.