Widersprüche zwischen Zeugenaussagen und Videos im Prozess gegen den Jenaer Pfarrer König

Ungereimtheiten und fehlende Akten

Den Prozess gegen Lothar König bestimmen Umgereimtheiten, fehlende Unterlagen und ein heftiger Schlagabtausch unter den Beteiligten. Auch am Mittwoch kam es mehrfach zur Unterbrechung der Hauptverhandlung.

 (DR)

Im Prozess gegen den Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König setzen sich die Ungereimtheiten fort. Erneut ist ein Vernehmungsprotokoll eines Polizisten aufgetaucht, dass nicht zu den Akten gelangt war. Der Bundespolizist erwähnte es am Mittwoch bei der Zeugenbefragung vor dem Dresdner Amtsgericht. Er sprach von einer "Nachvernehmung" im September 2011. Auch andere Polizisten wurden mehrmals vernommen.

König hatte im Februar 2011 an einer Anti-Nazi-Demonstration in Dresden teilgenommen, bei der es teilweise zu heftigen Ausschreitungen kam. Dem 59-jährigen Theologen wird schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen. Sein Verteidiger Johannes Eisenberg warf der Staatsanwältin Ute Schmerler-Kreuzer Aktenmissbrauch vor.

Sie habe Unterlagen unterdrückt. Eisenberg betonte: "Es besteht der Verdacht, dass die Akten insgesamt unvollständig sind." Schon kurz vor dem Prozessbeginn und an den ersten Verhandlungstagen waren zusätzliche Unterlagen aufgetaucht. Auch Königs zweite Verteidigerin, Lea Voigt, kritisierte den Prozessverlauf als zunehmend grotesk. Der Verdacht einer Straftat sei in weite Ferne gerückt.

Steine und Flaschen

Der Bundespolizist will gesehen haben, dass der blaue VW-Bus von König in den Verband der Polizeiwagen hineinfahren wollte, um diesen auseinanderzureißen. Auch ein zweiter Polizist des Zuges sprach von versuchten Behinderungen durch den Transporter und einer "riesigen Masse, die komplett vermummt war und aus der Gewalttätigkeit zu erwarten war". Die Autos der Beamten seien mit Steinen und Flaschen beworfen worden.

Das bestätigte auch ein dritter Polizist. Bei Durchsagen will er Wortfetzen wie "Steine" gehört haben, sagte er. Seine Befragung ergab außerdem, dass ein von ihm verfasstes Protokoll mit nach seinen Angaben "persönlichen Eindrücken" teilweise denselben Wortlaut hat wie die schriftliche Erklärung seines Vorgesetzten zum Demonstrationsgeschehen. Richter Stein bemerkte dazu: "Es ist augenfällig, dass auch die gleiche Wortwahl drin steht."

Alle drei Zeugen sprachen von etwa 1.000 Demonstranten, vor denen die Polizei geflohen war. Ein am Dienstag von der Verteidigung eingeführtes Video hatte gezeigt, dass die Demonstranten vor den Polizeiautos wegliefen.

Auch ein vierter Zeuge will Störer gesehen haben, die auf Gewalt aus waren. Der Beamte des Landeskriminalamtes Sachsen beschrieb einen Zugriff auf einen der Steinewerfer in Königs VW-Bus mit Handgreiflichkeiten, aber ohne Schlagstock. Ein erstmals in der Hauptverhandlung vorgeführtes Video der Verteidigung zeigte dagegen, wie dabei mit einem Schlagstock auf den Kopf gehauen wurde. Er habe damals keinen Knüppel wahrgenommen, sagte der Zeuge.

Mehrere Unterbrechungen

Wegen des wiederholt heftigen Schlagabtausches unter den Prozessbeteiligten kam es auch am Mittwoch mehrfach zu Unterbrechungen der Hauptverhandlung. Erstmals platzte auch Lothar König der Kragen. Für ihn stehe immerhin Freiheitsentzug und eine Berufskarriere auf dem Spiel, sagte der Pfarrer.

Der Thüringer Oberkirchenrat Michael Lehmann sagte am Rande der Verhandlung, dass "bisher nichts gefunden wurde, was die Vorwürfe erhärtet". Sicher sei lediglich, dass König am Ort der Demonstrationen war und "an verschiedenen Stellen deeskalierend eingegriffen hat".

Richter Stein kündigte an, dass für die Hauptverhandlung mindestens noch drei zusätzliche Termine notwendig sind. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt. Zuvor muss noch über einen Befangenheitsantrag des Verteidigers gegen den Richter entschieden werden.


Quelle:
epd