Templeton-Preis für Desmond Tutu

Rainbow Warrior

Desmond Tutu wird in London mit dem renommierten Templeton-Preis geehrt. Über viele Jahrzehnte äußerte sich der frühere anglikanische Erzbischof von Kapstadt kritisch gegen Rassismus und Diskriminierungen in Südafrika und in der Welt.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Desmond Tutu (dpa)
Desmond Tutu / ( dpa )

Die Spieler seiner Gewichtsklasse sind rar geworden. Kategorie Weltgewissen. Die, zu denen man aufschaut, auch wenn sie so klein von Wuchs sind wie der frühere Erzbischof von Kapstadt.  Desmond Mpilo Tutu, Kämpfer gegen die Apartheid in Südafrika und Experte für Versöhnung, will endlich Pensionär sein, sich für den Rest seiner Lebenszeit seiner Familie widmen - und wird doch eigentlich noch dringend gebraucht.

Die Spieler seiner Gewichtsklasse sind rar geworden. Kategorie Weltgewissen. Die, zu denen man aufschaut, auch wenn sie so klein von Wuchs sind wie der anglikanische Kirchenmann.

Bis heute ist die "Regenbogennation", von der Tutu sein Leben lang träumte, eine Baustelle geblieben. Vor einem Jahr hat sich die "Stimme der Schwarzen", wie ihn Nelson Mandela einmal nannte, offiziell ins Privatleben zurückgezogen.  

Hoffnungsträger gegen die Apartheid

Als seit Mitte der 70er Jahre die meisten Anführer der Schwarzen im Gefängnis saßen, wuchs der anglikanische Priester Tutu mehr und mehr in die Rolle des Hoffnungsträgers gegen den Apartheid-Staat hinein.

Die weißen Machthaber zogen mehrfach seinen Pass ein, verhafteten ihn. Doch noch vor Gericht klagte er die vermeintlich christlichen Politiker an, die ihre Parlamentssitzungen mit einem öffentlichen Gebet begannen: "Unser Gott macht sich etwas daraus, dass Kinder in "Umsiedlungslagern" verhungern - so nennt man ja wohl diese Schuttabladeplätze für die armseligen Opfer dieses gemeinen und bösartigen Systems. Der Gott, den wir anbeten, macht sich etwas daraus, dass Menschen unter mysteriösen Umständen in Untersuchungshaft sterben."

Tutu rief zum Wirtschaftsboykott gegen Südafrika auf
Je mehr Tutu an weltweitem Ansehen und Autorität erwarb, desto weniger angreifbar wurde er im eigenen Land. Er scheute sich nicht, im Ausland zum Wirtschaftsboykott gegen Südafrika aufzurufen. Für seinen "gewaltlosen Einsatz gegen das Apartheid-Regime" erhielt er 1984 den Friedensnobelpreis. Im selben Jahr wurde er als erster Schwarzer zum Bischof von Johannesburg gewählt. Nur zwei Jahre darauf folgte die Ernennung zum Erzbischof von Kapstadt und damit zum Oberhaupt der zwei Millionen Anglikaner des Landes. Seine Wahl stieß aber auch auf Kritik: Viele weiße Anglikaner - durchaus nicht nur Freunde des Systems - sahen darin ein "billiges Nachgeben" gegenüber dem militanten schwarzen Lager und befürchteten eine Politisierung des Amtes.

Streitbarkeit und Furchtlosigkeit waren für den ironischen und rhetorisch brillanten Kirchenführer jedoch kein Zeichen von Gewaltbereitschaft: "Ob es mir passt oder nicht, ob es ihm passt oder nicht - Präsident Botha ist mein Bruder, und ich bin dazu verpflichtet, ehrlich für sein Wohl zu beten", so seine Botschaft bei der Amtseinführung in Kapstadt. Immer wieder wurden jedoch auch Stimmen laut, die Tutus Neigung zur Demagogie kritisierten und Zweifel an seiner Integrationsfähigkeit anmeldeten.

Vorsitzender der Kommission für Versöhnung
Mit dem Ende des Apartheid-Staates Anfang der 90er Jahre war die "moralische Wende" in Südafrika noch lange nicht geschafft. Die wohl undankbarste Aufgabe stand dem "Quälgeist" (Tutu über Tutu) noch bevor. Als Vorsitzender der "Kommission für Wahrheit und Versöhnung" hörte das emeritierte Kirchenoberhaupt Täter und Opfer des Systems an. 20.000 Fälle zwischen 1960 bis 1994 wurden in drei Jahren untersucht. Freunde allerdings konnte sich der streitbare Bischof damit nicht machen. Denn die Kommission nahm sich nicht nur die einstigen Machthaber vor, sondern prangerte auch Folter, Attentate und Mordbefehle des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) an; selbst die Kirchen bekamen ihr Fett weg.

Der Lohn für die Unbestechlichkeit: Lügen, Tränen, neuer Hass. Zwei Drittel aller Südafrikaner, egal welcher Hautfarbe, waren überzeugt, die Wahrheitskommission habe nicht zur Versöhnung beigetragen, sondern die Gräben zwischen den Rassen vertieft. Obwohl sie empfahl, den Opfern umgerechnet rund 340 Millionen Euro Entschädigungen zu zahlen, wurde bislang nur ein kleiner Teil davon erstattet.

Nicht nur die ehemaligen weißen Machthaber des Apartheid-Staates hatten am Ende mit der Kommission gebrochen. Auch die "Opfer" von einst, Mitglieder des nun regierenden ANC, versuchten in einem unwürdigen Schauspiel, die Veröffentlichung des 3.500 Seiten langen Abschlussberichts über die Verbrechen während der Apartheid zu verhindern. Das brachte Tutu in Rage. "Ich habe nicht mein Leben lang gegen Tyrannei gekämpft, um sie durch eine andere Form der Tyrannei ersetzt zu sehen", tobte der Vorsitzende der Wahrheitskommission im Oktober 1998.

Entmutigen ließ sich der Quälgeist und Vorträumer freilich nicht. Über die Grenzen Südafrikas hinaus blieb er weiter wachsam und in der Tagespolitik präsent. In der Darfur-Krise etwa klagte er die Weltgemeinschaft an, den blutigen Konflikt nicht ernst genug zu nehmen: "Die bittere Wahrheit ist, dass manche Leben eben ein bisschen weniger wert sind als andere", schimpfte er. "Wenn du nur ein wenig dunkler bist, landest du fast immer am Ende der Fahnenstange." Nun, wo er auch aller Ehrenämter ledig ist, hört man die "Stimme der Schwarzen" nur noch selten.