Initiative für Christen-Verkehrsticket

"Die Kirchen haben eine ungeheure Marktmacht"

Eine Art Jobticket für Christen – mit dieser Forderung sorgen aktuell Gemeinden in Bonn für Schlagzeilen. Mitinitiator ist Heiner Monheim. Im domradio.de-Interview erklärt der Verkehrswissenschaftler, warum die Idee funktionieren kann.

Ticket-Abo für Christen: Geht das? (dpa)
Ticket-Abo für Christen: Geht das? / ( dpa )

domradio.de: Wie ist die Idee entstanden?

Monheim: Die Kirchen haben eine ungeheure Marktmacht, die sie in der Vergangenheit als Großkinde nicht immer wirklich gut genutzt haben. Die Kirchen sind die mitgliederstärksten Organisationen in Deutschland. Und wenn man für seine Mitglieder etwas tun will, warum nicht im Bereich des öffentlichen Verkehr? Massenrabatte gibt es hier bislang nur im Bereich der Job- und Studententickets. Und hier ginge es nicht nur um die klassische Sparlogik, sondern auch um die Bewahrung der Schöpfung, wo die Kirchen ein besonderes Interesse haben. Bei den Kirchentagen erlebt man immer wieder, dass die Vereinbarkeit von Mobilität und Umwelt ein zentrales Thema ist. Das ist schon ein Thema, das die Kirchen seit langem ernst nehmen.

domradio.de: Wo lägen die Vorteile für den Straßenverkehr?

Monheim: Als ich noch im NRW-Verkehrsministerium gearbeitet habe, hatte ich ganz oft mit Kirche zu tun. Damals herrschte auch hier noch oft die klassische Autofahrerperspektive vor: Der Pastor, der mit dem Auto unterwegs war, und die größte Sorge war die, dass man gut vor den Kirchen gut parken kann. Dafür wurden nicht selten Grünflächen und Bäume geopfert. Das war Kirche vor 25 Jahren. Inzwischen ist die Kirche viel weiter. Die Kirche hat im Bereich ihrer Fahrzeugflotten ihre Marktmacht ausgenutzt und hat die Autoindustrie mehr oder weniger genötigt, auch kleinere, leichtere und abgasärmere Fahrzeuge zu produzieren - weil sie da ja als Großkunde auftritt. Die Umweltbeauftragten der Kirchen haben das mit der Autoindustrie entsprechend verhandelt. Und jetzt sollten die Kirchen mit den Verantwortlichen im öffentlichen Verkehr Ähnliches tun, angefangen bei der Bahn bis hin zu den Verkehrsverbünden.

domradio.de: Wie konkret könnte dieses Ticket funktionieren?

Monheim: Entstanden ist die Idee in Bonn. Hier gibt es Kirchengemeinden, die sich überlegt haben, was man an den Bonner Verkehrsverhältnissen ändern kann. Und dann kommt früher oder später immer die Idee: Man braucht mehr Nutzer für einen besseren öffentlichen Verkehr. Aber wer soll das bezahlen? Wenn viele Menschen, die bislang überwiegend mit dem Auto unterwegs sind, ihr Auto stehen lassen und sich stattdessen ein VRS-Jahresabo besorgen, hat das sehr günstige Auswirkungen auf die Verkehrsentwicklung.

domradio.de: Und genau darin sieht die VRS ein Problem. Sie sorgt sich, dass die Fahrgastzahlen gerade zu den Ballungszeiten deutlich ansteigen - und genau hier bewege man sich bereits jetzt an der Kapazitätsobergrenze...

Monheim: Das ist schon lustig, dass der öffentliche Verkehr Angst vor mehr Fahrgästen hat. Natürlich braucht er mehr Fahrgäste! Bei dem Semesterticket haben 600.000 Menschen in NRW ihr Verkehrsverhalten drastisch geändert, haben ihre Autos verkauft, sind auf den öffentlichen Verkehr umgestiegen - und haben dafür auch Geld gezahlt: hunderte Millionen Euro! Und genau diese Logik kann man jetzt für die Kirchen anwenden. Ziel und Logik des öffentlichen Verkehrs muss es sein, so viele Fahrgäste wie möglich zu transportieren. Das ist sein Auftrag. Und er muss dafür sorgen, dass der Verkehr wieder vernünftig läuft.

Das Gespräch führte Aurelia Rütters.


Quelle:
DR