Parkinson auf dem Weg zur Volkskrankheit

Viele Missverständnisse

Allein in Deutschland leiden rund 300.000 Menschen an Parkinson. Das bedeutet, dass jede zweite Familie indirekt betroffen ist. Wegen der immer höheren Lebenserwartung rechnen Experten mit steigenden Patientenzahlen.

 (DR)

Bei der neurologischen Erkrankung, so warnt die Deutsche Parkinson Vereinigung (dPV), handelt es sich nicht um eine "Alte-Leute-Krankheit". Immerhin acht Prozent der Betroffenen befällt die Erkrankung schon unter 40 Jahren. Bis vor kurzem hat das nicht einmal die Medizin erkannt. "Oftmals wurden junge Patienten zunächst für Alkoholiker gehalten", weiß dPV-Geschäftsführer Friedrich-Wilhelm Mehrhoff. Dabei gibt es berühmte Beispiele: Der Schauspieler Michael J. Fox, der mit der Filmreihe "Zurück in die Zukunft" zum Star wurde, leidet seit seinem 30. Lebensjahr an Parkinson. Lange Zeit überspielte er die Krankheit; erst nach sieben Jahren bekannte er sich öffentlich dazu. Mit einer Stiftung hilft er seither anderen Patienten.

Welt-Parkinson-Tag am 11. April

Neben Fox und dem ehemaligen US-Boxer Muhammad Ali haben sich auch weniger bekannte Menschen zu ihrer Krankheit geäußert. Für den Buchautor Wigald Lange hatte das Schreiben eine therapeutische Wirkung: Als erster Parkinson-Patient überquerte er den Atlantik, nachdem er seine Erfahrungen geschildert hatte. Als Mutmacher betrachtet der Theologe Jürgen Mette seinen Lebensbericht. Die Diagnose Parkinson, betont er, müsse niemanden in die Verzweiflung treiben.

Tatsächlich ist die Krankheit, die 1817 von James Parkinson entdeckt wurde, medikamentös gut zu behandeln; ihr Verlauf lässt sich zumindest verzögern. Und im Gegensatz zur Demenz schädigt sie nicht die kognitiven Fähigkeiten: "Betroffene sind oft in der Schnelligkeit ihres Denkens eingeschränkt, nicht aber in der Qualität", erklärt Mehrhoff. Ein Problem ist allerdings die Früherkennung: Die DPV schätzt, dass allein in Deutschland rund 100.000 Menschen erste Parkinson-Symptome aufweisen, ohne sie einordnen zu können. Frühe Anzeichen können eine verkleinerte Handschrift sein, Schwierigkeiten beim Zähneputzen oder ein eingeschränktes Riechvermögen. "Wenn sich diese alltäglichen Dinge häufen, sollte man einen Neurologen aufsuchen", rät Mehrhoff.

MIT-Studie soll helfen

Bei der Diagnose helfen soll nun eine Studie des renommierten Massachusetts Institute of Technology in Boston: Forscher wollen die Krankheit durch einen Stimmtest nachweisen. Bislang gibt es keine eindeutig messbaren Indikatoren wie etwa das Blutbild. Daher haben 60.000 Menschen ihre Stimmen für die Datenbank "Parkinson's Voice Initiative" aufzeichnen lassen. Nun werten die Forscher sie auf Unregelmäßigkeiten wie ein Zittern aus. "Das Projekt könnte zukünftigen Patienten helfen, die die Krankheit noch nicht bemerkt haben", erklärt Wissenschaftler Max Little.

Die Ärzte hoffen, die Computer-Algorithmen so verfeinern zu können, dass sie Parkinson über das Telefon erkennen können. Gerade für weniger wohlhabende Menschen könnte das einen Durchbruch bedeuten:

"Patienten müssten seltener zu Routine-Untersuchungen fahren, und wir könnten sie gezielter beraten", erklärt Little. Ein anderer neuer Ansatz sind die sogenannten Parkinson Nurses: Krankenschwestern und -pfleger, die sich auf Parkinson-Patienten spezialisiert haben. Seit sechs Jahren können sich Pflegekräfte in Deutschland dazu ausbilden lassen. Sie unterstützen zum Beispiel Angehörige in der häuslichen Pflege.

Mediziner haben zudem festgestellt, dass Selbsthilfegruppen bei Parkinson gute Unterstützung leisten. Eine Liste hat die Homepage www.parkins-on-line.de zusammengestellt. Ein Info-Paket für Betroffene und Angehörige bietet die Seite www.leben-mit-parkinson.de. Das Portal schildert den Krankheitsverlauf und typische Symptome so detailliert wie verständlich. Neben medizinischen Ratschlägen finden sich dort auch praktische Tipps, etwa für Reisen oder darüber, wie man trotz Parkinson sportlich aktiv bleiben kann.