Bundespräsident Gauck besucht Äthiopien

Schwieriges Partnerland

Wenn Bundespräsident Joachim Gauck heute zu einem Staatsbesuch nach Äthiopien reist, besucht er ein schwieriges Partnerland, das auf eine lange Geschichte als christliches Königreich zurückblickt.

Autor/in:
Bettina Rühl
 (DR)

Lange galt Äthiopien als ein hoffnungsloses Hungerland. Nun hat in dem nordostafrikanischen Land ein Wirtschaftsboom eingesetzt, der Staunen macht. Aber in Sachen Menschenrechte bleibt Äthiopien auf der Anklagebank. Denn Kritiker der Regierung werden weiter brutal unterdrückt.

Die Republik Äthiopien mit seinen heute 84 Millionen Einwohnern ist ein Vielvölkerstaat, in dem es immer noch ethnische Konflikte gibt. Mehr als 50 Prozent der Äthiopier sind Christen, vor allem orientalisch-orthodoxer Richtung, und etwa 35 Prozent Muslime. Die Zeiten des offenen Bürgerkriegs sind seit dem Sturz des einst marxistischen Diktators Mengistu Haile Mariam 1991 vorbei. Äthiopien am unruhigen Horn von Afrika wurde zu einem der wichtigsten Partner Deutschlands und des Westens, trotz der diktatorischen Züge des Regimes. Faktisch gleicht Äthiopien einem Einparteienstaat.

Der Tod des langjährigen Premierministers Meles Zenawi im August 2012 hat daran nicht viel geändert. Sein Nachfolger Hailemariam Desalegn führt den politischen Kurs fort. Die kurze Hoffnung auf ein innenpolitisches Tauwetter erfüllte sich nicht. Als Konsequenz schloss die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung im November ihr Büro in der Hauptstadt Addis Adeba, auch zum "Zeichen des Protests gegen die fortschreitende Einschränkung von Bürgerrechten und demokratischer Entwicklung".

Verfolgung von Oppositionellen

Die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" berichtet von Verstößen gegen die Meinungs- und Pressefreiheit und der Verfolgung von Oppositionellen. Im Süden würden zudem Menschen zwangsweise umgesiedelt, um Ackerflächen für ausländische Investoren zu gewinnen.

Trotz der Kritik bleibt Äthiopien ein wichtiger internationaler Akteur. Die Hauptstadt ist Sitz der Afrikanischen Union. Die Gastgebernation spielt in dem Bündnis eine führende Rolle. Vor allem im schwierigen Verhältnis zwischen dem Sudan und dem Südsudan versucht Äthiopien engagiert, zu Lösungen beizutragen. Das würdigt die internationale Gemeinschaft.

Eine umstrittene Rolle spielt Äthiopien im Nachbarland Somalia. Westliche Regierungen nahmen die äthiopische Invasion gegen die islamistische Al-Schabaab-Miliz 2006 vor allem als stabilisierenden Faktor wahr. Viele Somalier und die Konfliktforscher der "International Crisis Group" sehen das anders: Aus ihrer Sicht trug der Einmarsch entscheidend zur Radikalisierung des Krieges in Somalia bei.

Wirtschaftlich interessant

Auch wirtschaftlich ist Äthiopien, das als einziges afrikanischen Land nie Kolonie war, für Deutschland interessant. Seit 2005 betragen die Wachstumsraten regelmäßig um die zehn Prozent. Zunehmend investieren auch deutsche Mittelständler in Äthiopien. Trotz des Booms leben noch immer etwa 40 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze, und das Land steht nach dem UN-Entwicklungsindex weit hinten auf Platz 173 von 187. Das ist ein Hinweis auf die ungleiche Verteilung des neuen Reichtums.

Das Verhältnis zu Deutschland ist traditionell gut. Die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern wurden schon 1905, also vor mehr als 100 Jahren, aufgenommen. Im November 1954 kam der äthiopische Kaiser Haile Selassie nach Bonn. Er war eines der ersten ausländischen Staatsoberhäupter, das der Bundesrepublik einen offiziellen Besuch abstattete. Vor mehr als 50 Jahren begann die deutsche Entwicklungshilfe. Mehr als 1,3 Milliarden Euro flossen seither in das Land.


Quelle:
epd