Weltweit kämpfen eine Viertelmillion Kinder in Konflikten

Billig und biegsam

Mit dem "Red Hand Day" wird jedes Jahr an das Schicksal von Kindersoldaten erinnert. Die Bemühungen gegen ihren Einsatz erleiden immer wieder Rückschläge: Auch in Mali werden jetzt Jungen und Mädchen an die Waffen gezwungen.

Autor/in:
Silvia Vogt
 (DR)

Gut 400 Euro sollen Islamisten in Mali pro Kind zahlen. Für Jungen und Mädchen, die sie nach Erkenntnissen von lokalen Hilfsorganisationen als Kindersoldaten missbrauchen. Auf mindestens 1.000 wird die Zahl allein in den vergangenen Monaten geschätzt. Damit wirft der Krieg in Westafrika ein Schlaglicht auf eine zur Stagnation verdammte Statistik: Kleine Erfolge im Kampf gegen den Einsatz von Kindersoldaten werden durch neu aufflammende Konflikte immer wieder zunichte gemacht.

Weltweit gibt es Schätzungen zufolge noch immer 250.000 kämpfende Jungen und Mädchen - sowohl in Rebellen-Gruppen als auch in Milizen und Regierungstruppen. Zuletzt kamen Meldungen aus Mali über die Rekrutierung von Kindersoldaten. Verlässliche Zahlen kann keiner nennen.

"Die Situation ist unübersichtlich", betont Athanasios Melissis vom Hilfswerk terre des hommes. Es lägen aber durchaus Augenzeugen-Berichte vor, dass Kinder von den Islamisten als Wachen oder im Kampf missbraucht worden seien.

Langfristigen Folgen

"Kinder sind einfach leichter zu bekommen", erklärt Antje Weber von der Kindernothilfe in Duisburg. In den meisten Fällen werden sie mit Gewalt rekrutiert. "Sie sind schwächer, schmächtiger, können sich schlechter zur Wehr setzen, wenn ihre Dörfer überfallen werden." Gerade am Anfang würden sie häufig mit Alkohol und Drogen gefügig gemacht, teils sogar gezwungen, ihre Angehörigen zu töten. Und besonders dann, wenn ihre Familie vertrieben oder ausgelöscht ist, sind die Minderjährigen eine leichte Beute.

Für die Truppen rechnet es sich, Kinder und Jugendliche als Träger und Helfer einzusetzen oder auch an die Waffe zu zwingen. "Kinderhände können Kleinwaffen halten", erklärt Weber. "Kinder sind wendiger und daher gut als Vorhut einsetzbar." Und dabei sind sie billiger und leichter zu ersetzen.

Kindersoldaten würden als «weniger wertvoll» angesehen, bestätigt terre des hommes. Dementsprechend würden sie häufig an besonders gefährlichen Stellen eingesetzt, etwa als Spione, Vorhut oder Minensucher. "Die langfristigen Folgen für das psychische und körperliche Wohl der Kinder sind katastrophal: Sie werden zu absolutem Gehorsam gezwungen, das Selbstbewusstsein schwindet, sie stumpfen gegenüber Grausamkeiten ab und werden traumatisiert und sind emotional verwahrlost."

Hunderte ehemalige Kindersoldaten in Deutschland

Wem schließlich die Flucht gelingt, ist körperlich und seelisch gezeichnet. Die Rückkehr in die Heimat ist häufig kaum möglich - vor allem, wenn die Dorfgemeinschaft die Gräueltaten nicht verzeihen kann. Und auch vor den Grenzen Deutschlands mache die Problematik nicht Halt, betont Weber.

Derzeit leben laut Schätzungen bis zu 200 ehemalige Kindersoldaten in Deutschland, die Dunkelziffer dürfte aber weit höher sein. «'Ehemalige Kindersoldaten laufen in Deutschland häufig ins Leere», sagt Weber mit Blick auf den "Schattenbericht" des Deutschen Bündnisses Kindersoldaten, einem Zusammenschluss von einem Dutzend Hilfswerken. "Es gibt dringenden Handlungsbedarf seitens der Bundesregierung." Bis in den Kern traumatisierte Kinder und Jugendliche bräuchten Hilfe und Unterstützung, einen sicheren Aufenthaltsstatus und kindgerechte Unterbringung, Betreuung, Therapie - und nicht zuletzt Zugang zu Bildung.

 

Quelle:
epd