Rainer Eppelmann wird 70 Jahre alt

Maurer, Pfarrer, Verteidigungsminister

Rainer Eppelmann war letzter Verteidigungsminister der DDR. Ironie der Geschichte: Zuvor hatte der evangelische Pfarrer die Staatspartei SED so gereizt, dass die Stasi ihn mit einem fingierten Autounfall aus dem Verkehr ziehen wollte.

Autor/in:
Markus Geiler
 (DR)

Eigentlich wollte er Architektur studieren, gestand Rainer Eppelmann mal in einem Interview. Dann kam der Mauerbau und dem damals 18-jährigen Sohn aus einer Ost-Berliner Handwerkerfamilie blieb kurz vor dem Abitur der Weg in sein Gymnasium im Westteil der Stadt versperrt. Er bricht die Schule ab, jobbt zunächst als Dachdecker, absolviert dann eine Maurerlehre und beginnt schließlich ein Theologiestudium an der Ost-Berliner kirchlichen Fachhochschule "Paulinum". 1974 tritt er seine erste Pfarrstelle in der Samaritergemeinde in Berlin-Friedrichshain an.

"Ich wäre vielleicht ein leidlich guter Architekt geworden", bilanziert der heutige Vorsitzende der Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur fünf Jahrzehnte später. "So aber bin ich Pfarrer geworden. Besser hätte es mich gar nicht erwischen können." Für ihn sei der 13. August 1961, der Tag, an dem der Mauerbau begann, am Ende doch ein Segen gewesen.

Als Eppelmann 1969 sein Theologiestudium aufnimmt, hat er aus Sicht des SED-Regimes mit widerspenstigem Verhalten bereits reichlich verbrannte Erde hinterlassen. Drei Jahre zuvor, 1966, verweigert er nicht nur den Dienst an der Waffe in der NVA, sondern auch das Gelöbnis in den waffenlosen Baueinheiten der DDR-Volksarmee. Dafür wanderte er acht Monate in den Knast.

Zeitweise "Staatsfeind Nr.1"

Viel mehr als ein beruflicher Werdegang unter dem Dach der evangelischen Kirche blieb ihm bei diesen Vorbedingungen in der DDR nicht übrig. Auch als Kirchenmann eckte er an. Als Gemeindepfarrer und Kreisjugendpfarrer politisierte er seine Arbeit, öffnete seine Kirche für unangepasste Jugendliche. Legendär wurden seine Blues-Messen mit zuletzt Tausenden von Teilnehmern, in denen Bands im geschützten Raum der Samariterkirche unzensiert auftreten durften.

Die Blues-Messen missfielen nicht nur der Staatsmacht sondern auch der Kirchenleitung. Um den für 1987 in Aussicht gestellten Kirchentag nicht zu gefährden, entschloss sich der "Bund der Evangelischen Kirche in der DDR" im Herbst 1986 schließlich, sie einstellen zu lassen.

Mit Friedensseminaren und -werkstätten, Mahnwachen, Offenen Briefen, Eingaben und Verlautbarungen wie dem "Berliner Appell" von 1982 zum "Frieden schaffen ohne Waffen", den er mit dem SED-Dissidenten Robert Havemann verfasste, wuchs Eppelmann in den 80er Jahren zeitweise zum "Staatsfeind Nr.1" der DDR-Oberen heran. Er nervte Polizei und Justiz mit Anzeigen, wegen der Verwanzung seiner Wohnung durch die Stasi oder wegen Fälschung der Kommunalwahlen von 1989.

Ab 1990 im Bundestag

Eppelmann wurde zu einer der Schlüsselfiguren der friedensbewegten DDR-Opposition und unterhielt rege Kontakte zu Politikern und Journalisten aus dem Westen. Als das SED-Regime zu erodieren begann, gründete er im Oktober 1989 die Partei "Demokratischer Aufbruch" mit, für die er 1990 in die frei gewählte DDR-Volkskammer zog. Unter dem letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maiziere (CDU) wird der Pfarrer Abrüstungs- und Verteidigungsminister.

Wie das SED-System, fiel mit dem Mauerfall auch die vermeintlich homogene Opposition in der DDR auseinander. Eppelmann gehörte zu dem eher bürgerlichen Flügel, der gegen eine rasche Wiedervereinigung wenige Einwände hatte. Den absoluten Tabu-Bruch für die pazifistisch gesinnten DDR-Bürgerrechtler beging der kernige Ex-Pfarrer aber, als er sich im Frühjahr 1990 für einen Verbleib Gesamtdeutschlands in der NATO aussprach. "Rainer Eppelmann, Ich schäme mich für Dich!", ließ Havemanns Witwe Katja via Zeitungsanzeige den ehemaligen Weggefährten wissen.

Nach dem 3. Oktober 1990 zieht Eppelmann für die CDU in den Bundestag und leitet ab 1992 die beiden Enquete-Kommissionen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Sechs Jahre lang steuert er die Kommission durch die raue See von Geschichtsklitterung und aufkommender Ost-Larmoyanz. Aus den Kommissionen geht 1998 schließlich die Stiftung Aufarbeitung hervor, deren Vorstandsvorsitzender er bis heute ist.

"Obwohl ich ja nun selbst in der DDR gelebt habe, haben mich die Ausmaße der Menschenverachtung des SED-Regimes immer wieder überrascht", sagte Eppelmann 20 Jahre später. Seiner eigenen Kirche warf er in den 1990er eine zu große Nähe zu den DDR-Machthabern vor. Zu oft hätten die Kirchenoberen zu Missständen im eigenen Land geschwiegen.