Bei "Günther Jauch" dreht es sich wieder um die Kirchen

Von Gottesfurcht bis Leiharbeit

Günther Jauch stellte am Sonntagabend die "Glaubens-Frage". Vereinfacht für den Fernsehabend hieß es im Untertitel "Wie lebensnah ist die Kirche?" Doch über eine oberflächliche Problembeschreibung kam der ARD-Talk nicht hinaus.

Autor/in:
Karsten Frerichs
 (DR)

Es war ungewöhnlich, dass sich Jauch in seinem ARD-Talk zum zweiten Mal hintereinander dem Thema Kirche widmete. Ein Woche zuvor hatte die Aufarbeitung des Klinikskandals in Köln im Vordergrund gestanden, wo einer vergewaltigten Frau von Ärzten in zwei katholischen Krankenhäusern ärztliche Hilfe verweigert worden war, weil es Vorbehalte gegen eine nachträgliche Verhütung gab. Nun wollte man sich daran machen, dem Thema so richtig auf den Grund zu gehen. Nach der Ankündigung war zu erwarten, dass den vielfältigen Ursachen nachgespürt würde, warum sich Christen von evangelischer wie katholischer Kirche seit Jahren gleichermaßen in großer Zahl abwenden.

Im Fokus indes blieben die aktuellen Negativ-Schlagzeilen und die altbekannte Kritik an der katholischen Kirche, deren Sexualmoral nicht auf der Höhe der Zeit sei, die Homosexuelle diskriminiere, die bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle schwere Fehler begehe und insgesamt obrigkeitshörig nach Rom blicke. "Man fühlt sich als Katholik ein bisschen wie ein Schalke-Fan zurzeit", sagte Moderator Johannes B. Kerner in Anspielung auf die aktuelle Krise beim Fußball-Bundesligisten. Kerner war in einem katholischen Elternhaus groß geworden, hatte sich später von der Kirche losgesagt und ist nun wieder eingetreten.

Wachsende Entfremdung

Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke räumte ein, dass die katholische Kirche einen Teil der Menschen nicht mehr erreiche. "Diese Entfremdung bewegt mich wahnsinnig, sie macht mich krank", sagte er: "Der Mensch muss der Weg der Kirche sein."

Den Gedanken weiterzuführen blieb dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, vorbehalten: Spannungen zwischen Gottesfurcht und Menschenliebe seien auszuhalten. Doch wenn eine Entscheidung unausweichlich werde, sei die Menschenliebe entscheidend. Er könne sich nämlich einfach nicht vorstellen, dass die Gottesfurcht "am Ende etwas anderes sein kann als Menschenliebe".

Für Nordrhein-Westfalens Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) lässt sich daraus folgern, dass nach einer Vergewaltigung die Frau nicht zweimal zum Opfer gemacht werden dürfe. Löhrmann, die dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken angehört, stellte heraus, dass andere katholische Kliniken im Erzbistum Köln unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls betont hätten, dass sie dafür sorgen, dass Vergewaltigungsopfer die "Pille danach" bekommen können. Den "pragmatischen Lösungen" müsse nun eine klare Aussage von der Deutschen Bischofskonferenz folgen.

Und das Thema Arbeitsrecht

Wie verhaftet evangelische und katholische Kirche in den Lebensrealitäten andererseits sind, wurde gegen Ende der Sendung am Beispiel Arbeitsrecht deutlich. Präses Schneider wies die Kritik an den Arbeitsbedingungen für die rund 1,3 Millionen Beschäftigten in evangelischer und katholischer Kirche sowie bei deren Wohlfahrtsverbänden entschieden zurück.

"Wir zahlen gute Tarife", sagte Schneider. In den Einrichtungen der evangelischen Diakonie lägen die Löhne im Normalfall mindestens zehn Prozent über denen anderer Träger auf dem Sozialmarkt. Allerdings sei der Pflegesektor unterfinanziert, so dass evangelische Einrichtungen angesichts der hohen Tariflöhne zum Teil mittels Ausgliederungen versuchten, Kosten zu sparen.

"Wir machen Druck, dass so etwas möglichst nicht passiert", sagte Schneider. "Wir müssen ausgliedern", sagte Weihbischof Jaschke bezogen auf Einrichtungen der katholischen Caritas. Das seien "schlimme Notwendigkeiten".

Der Linken-Politiker Oskar Lafontaine sagte, die Kirchen müssten auf dem Arbeitsmarkt eine Vorbildfunktion haben. Gegen politische Fehlentscheidungen, die unter anderem zur Ausweitung von Leiharbeit geführt hätten, sollten sie sehr viel deutlicher als bislang ihre Stimme erheben.


Quelle:
epd