Aids-Hilfe in Birma profitiert von politischen Reformen

"Ein vermeidbares Schicksal"

Etwa 250.000 Birmaner sind HIV-positiv. 76.000 benötigen nach Angaben der Ärzte ohne Grenzen sofort Aids-Medikamente. Aber nur für etwa 16.000 stehen die lebensrettenden Pillen zur Verfügung. Jährlich sterben 24.000 Birmaner aus Mangel an Medikamenten. Das müsste nicht sein.

Autor/in:
Michael Lenz
 (DR)

Thegya möchte gerne zur Schule gehen. Seit aber Mitschüler und Lehrer wissen, dass die Mutter der Zwölfjährigen und ihre jüngere Schwester mit HIV infiziert sind, ist ihr der Schulbesuch verwehrt. "Die Ausgrenzung von Menschen mit HIV und Aids und auch ihrer Angehörigen ist bei uns noch sehr stark", sagt Aye Aye, Koordinatorin des Aids-Programms der katholischen Bischofskonferenz von Birma. In vielen Ländern stagniert durch Aufklärung und Prävention die Zahl der HIV-Neuinfektionen oder ist gar rückläufig. Immer mehr an Aids erkrankte Menschen erhalten lebensrettende antiretrovirale Medikamententherapien (ART). Nicht so in Birma, einem Land, das politisch lange isoliert und durch Wirtschaftssanktionen fast vollständig von internationaler Entwicklungshilfe abgeschnitten war.



Mit 11.000 Patienten pro Jahr und 25 Kliniken sind die Ärzte ohne Grenzen größter ART-Versorger in Birma. "Wir können keine neuen Patienten mehr aufnehmen", heißt es im jüngsten Report "Ein vermeidbares Schicksal: Das Versagen der Ausweitung der ART-Behandlung in Myanmar". Es sei nicht hinnehmbar, dass die Organisation in einer Krise dieser Größenordnung die Mehrheit der Patienten allein behandele. Auch die Regierung müsse die Versorgung mit antiretroviralen Medikamenten ausbauen.



Weg frei für Entwicklungshilfeorganisationen

Die Reformpolitik der Zivilregierung von Staatspräsident Thein Sein eröffnet auch der Aids-Hilfe neue Möglichkeiten. "Jetzt haben wir Versammlungsfreiheit", sagt Aye Aye und fügt hinzu: "Das erleichtert die Arbeit sehr." Vor ein paar Tagen habe man etwa mit einer interreligiösen Gruppe aus christlichen Priestern, buddhistischen Mönchen und Muslimen eine Unterkunft für Menschen mit HIV und Aids besuchen können.



Durch die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen durch die USA und die EU ist der Weg nun frei für Entwicklungshilfeorganisationen. Der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria stellt in den kommenden zwei Jahren insgesamt 112 Millionen Dollar (Tageskurs 86,5 Millionen Euro) zur Verfügung, davon 46 Millionen Dollar (35,5 Millionen Euro) für den Kampf gegen Aids.



Der Krieg erschwert die Aids-Hilfe

Die Übertragungswege von HIV sind in Birma regional sehr unterschiedlich, berichtet Birke Herzbruch, Vertreterin von Malteser International in Rangun: "Die Kasinos im Shan-Staat locken viele Spieler aus China an, wo Glücksspiel verboten ist. Wo Kasinos sind, gibt es Bordelle und Prostitution." In Kachin im Nordosten des Landes, wo die Armee einen Krieg gegen die mehrheitlich christliche Ethnie der Kachin führt, werde das Virus in erster Linie durch intravenösen Drogengebrauch übertragen.



Der Krieg in Kachin erschwert die Aids-Hilfe. Fast 100.000 Menschen sind vor den Kämpfen geflohen. "In den Lagern steht für die Kirche die Soforthilfe im Vordergrund. Da muss die Aids-Hilfe zurückstehen", sagt Aye Aye. In den Städten sei aber Aids-Hilfe weiter möglich. "Missionsschwestern betreiben eine Notunterkunft für Betroffene in Myitkyina", berichtet Aye Aye.



Thegya, ihre Mutter und ihre Schwester leben in einem Dorf in Zentralbirma. Einmal im Monat kommen sie zur Untersuchung und Medikamentenbehandlung zur Aids-Klinik in Rangun. Die Kirche unterstützt in der Nähe der Klinik ein Heim, in dem die Betroffenen während ihres Aufenthalts wohnen können. Dort hat Aye Aye auch von Thegyas Schicksal erfahren. "Ich habe Ordensfrauen in Thegyas Heimat informiert. Sie werden mit den Lehren sprechen. Ich bin sicher, dass Thegya bald wieder in die Schule gehen darf."