Kritik an Modeversand Hessnatur

Heuschreckenalarm beim Ökopionier

Der Ökomodeversand Hessnatur kämpft seit der Übernahme durch einen Finanzinvestor um sein Image: Eine Kundeninitiative sieht Verbindungen zur Waffenindustrie. Für Geschäftsführer Marc Sommer sind die Vorwürfe "sehr unfair konstruierte Zusammenhänge".

Autor/in:
Miriam Bunjes
 (DR)

Mode "im Einklang mit der Natur", die "uneingeschränkte Bereitschaft, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen" - dafür steht seit Jahren das Biomodelabel Hessnatur. Seit im Juni der Finanzinvestor Capvis den Betrieb aus der Karstadt-Insolvenzmasse kaufte, hat das Image Risse - obwohl sich am Produkt nichts geändert hat und der Betrieb erst im August mit dem begehrten Future Shapers Awards ausgezeichnet wurde: als besonders nachhaltige Textilfirma.



Aber um Pullis geht es den Kritikern nicht. Sondern um die Besitzer. Und die Logik von Investmentgeschäften, also von Geschäften mit Investitionen in die Geschäfte anderer. "Capvis verwaltet das Kapital von Gesellschaften, die ihrerseits in Rüstung und Atomwaffen investieren", sagt Johannes Mosmann, Betreiber der Webseite wir-sind-die-konsumenten.de, auf der Hessnatur-Kunden seit dem Verkaufprozess kritische Kommentare schreiben.



Mosmann recherchiert die Capvis-Geldketten und stellt sie mit Belegen ins Netz. Tatsächlich gehört Hessnatur einem Fonds verschiedener Anteilseigner, den Capvis verwaltet: "Capvis III". Das zeigen eine Bekanntmachung der Bundeswettbewerbsbehörde und die Capvis-Webseite. "Capvis III" hat seinen Sitz im Steuerparadies Jersey und gehört unter anderen F&C Investment. Dieser US-Investor listet "Capvis III" im Portfolio auf, und auf seiner Webseite stehen auch Kundennamen wie BAE Systems und Babcock International, die zu den größten Atomwaffenproduzenten der Welt gezählt werden.



Die Frage nach der Verantwortung

Macht das Capvis mitverantwortlich? Und in der Folge auch Hessnatur, deren Kundschaft Handel mit Kriegswaren ablehnen dürfte? "Capvis selbst steckt das Geld seiner Partner in saubere Unternehmen wie Hessnatur", sagt Mosmann. Er wolle die ökonomischen Verflechtungen für Hessnatur-Kunden transparent machen. "Abstrus", findet das Marc Sommer, der für Capvis die Hessnatur-Geschäftsführung übernommen hat. "Für die Geschäfte von Kunden von Geschäftspartnern trägt Capvis keine Verantwortung. Nach der Logik dürften wir auch keine Kunden annehmen, die auch Kleidung beim Discounter kaufen." Sorge machen ihm die Recherchen der Initiative trotzdem. "Hessnatur wird sehr unfair in einen konstruierten Zusammenhang gestellt."



Ein Zusammenhang, der dem Ökobetrieb finanziell schaden kann. Kundenrückgänge von 18 Prozent hatte Sommer vor Gericht beklagt. Gegen Mosmann hat Hessnatur eine einstweilige Verfügung angestrengt, weil dieser schon vor Wochen über Rüstungskunden des Capvis-Partner HarbourVest schrieb - und sie in direkten Zusammenhang mit Hessnatur stellte. Dass die Zahlungen der Hessnatur-Kunden an die Rüstungsindustrie gehen, darf nicht mehr veröffentlicht werden. Gegen die neuen Aussagen wird Sommer nicht klagen. "Wir gehen von einer rechtlichen Bestätigung unserer Position aus und betrachten die Sache dann als erledigt."



Vorher Karstadt - und auch problematisch

Mark Starmanns kann sich gut vorstellen, dass Hessnatur-Kunden sensibel auf derartige Veröffentlichungen reagieren. "In eine umfangreiche moralische Bewertung der Produkte würde auch einfließen, in was die Gewinne eines Unternehmens fließen", sagt Starmanns, der an der Uni Zürich über nachhaltigen Handel forscht und derzeit eine Plattform für faire Mode aufbaut. "Die Transparenz über finanzielle Hintergründe finde ich deshalb wichtig." Ökologische und sozialverträgliche Produktion sei aber prinzipiell auch mit einem Investor als Besitzer möglich. "Man muss das Produkt und seine Herstellungsketten im Auge behalten." Die hätten sich seines Wissens bei Hessnatur nicht verändert. Damit bliebe Hessnatur "ein Vorreiter für die ökologische Produktion von Mode".



"Gelten erkennbar die gleichen Herstellungsstandards, kaufen Kunden weiter bei Hessnatur", glaubt Volker Wittberg, Wirtschaftsprofessor an der Fachhochschule des Mittelstandes. Der Besitzer sei dabei weniger entscheidend. "Sicher wussten viele gar nicht, dass Hessnatur vorher Karstadt gehörte." Und verfolge man die Geldkette eines börsennotierten Unternehmens wie Karstadt, finde man ebenfalls ethisch problematische Zusammenhänge. "Die haben der grünen Seele von Hessnatur vorher auch nicht geschadet."