Glück über Lage der katholischen Kirche in Deutschland

"Wir sind nicht auf dem Rückzug"

ZdK-Präsident Alois Glück spürt in der katholischen Kirche eine positive Eigendynamik. Im Vergleich zu den Erschütterungen nach dem Missbrauchsskandal gebe es nun eine wesentlich offenere Gesprächskultur. domradio.de berichtet ab Freitag von der Herbstvollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.

Autor/in:
Joachim Heinz
Alois Glück (DR)
Alois Glück / ( DR )

KNA: Herr Glück, das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat mit seiner jüngsten Entscheidung Streiks in kirchlichen Einrichtungen unter bestimmten Bedingungen erlaubt - eine Niederlage für die Kirchen?

Glück: Insgesamt haben die Richter den sogenannten Dritten Weg, also die arbeitsrechtliche Sonderstellung der Kirchen, bestätigt. Gleichzeitig wurde ein Akzent gesetzt im Hinblick auf die Rechte der Mitarbeiter, indem Streiks als letzte Möglichkeit akzeptiert werden. Was das im Einzelnen aber zu bedeuten hat, lässt sich erst nach der Lektüre der schriftlichen Urteilsbegründung sagen.



KNA: Im Jahr 2011 hat der Deutschlandbesuch von Papst Benedikt XVI. innerhalb und außerhalb der Kirche für große Aufmerksamkeit gesorgt. Was bleibt Ihnen auf die Kirche bezogen von 2012 in Erinnerung?

Glück: Dass der von den Bischöfen angestoßene Dialogprozess zur Zukunft der Kirche eine positive Eigendynamik entwickelt hat. Im Vergleich zu der Zeit vor den Erschütterungen durch den Missbrauchsskandal 2010 haben wir eine wesentlich offenere Gesprächskultur. Nichts wird mehr tabuisiert. Für mich eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Kirche im Innern wieder lebendiger und nach außen hin anziehender wird.



KNA: Woran machen Sie diese Entwicklung fest?

Glück: Etwa an dem Dialogtreffen im September in Hannover. Dort sind die Bischöfe konkrete Selbstverpflichtungen eingegangen, was uns als Vertreter der Laien wiederum sehr zuversichtlich macht. So sind die Bischöfe um eine bessere Lösung zum Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen sehr bemüht. Diese Frage könnte zum Testfall werden, der zeigt, wie viel Gestaltung möglich ist.



KNA: Nun gibt es gerade bei diesem Punkt offenbar Überlegungen, die Debatte mehr auf kirchenrechtliche Fragen zu verlagern. So sollen Ehen leichter annulliert werden können, damit etwa eine Kindergärtnerin nach Scheidung und einer erneuten Partnerschaft weiter im Dienst der Kirche bleiben kann. Weicht man damit nicht der eigentlichen Debatte aus?

Glück: Bei der ganzen Diskussion haben sich zwei Aspekte als zentral herausgestellt: das kirchliche Arbeitsrecht und der Zugang zu Sakramenten. Klar ist, dass die Unauflösbarkeit der Ehe nicht infrage gestellt werden kann und soll. Ob das Problem aber mit rein juristischen Mitteln zu lösen ist? Da bin ich sehr skeptisch. Ich würde mir eher einen Ansatz wünschen, wie er in den orthodoxen Kirchen bereits praktiziert wird, also eine kirchliche Anerkennung unter noch näher zu bestimmenden Voraussetzungen bis hin zur Segnung einer zweiten Partnerschaft.



KNA: Ein weiterer Dauerbrenner, der ebenfalls bei der bevorstehenden Herbstvollversammlung des ZdK Thema sein wird, ist das Diakonat der Frau - wie stehen da die Aktien?

Glück: In absehbarer Zeit erwarte ich keine Veränderungen, auch wenn es wünschenswert wäre. Aber wir sollten ohnehin die Rolle der Frau in der Kirche nicht auf diese Frage reduzieren.



KNA: Verglichen mit dem Beginn des Dialogprozesses und der Reformdebatten klingt das jetzt aber nach einem Rückzug.

Glück: Wir sind nicht auf dem Rückzug. Aber es wäre falsch, nur auf dieses eine Thema zu setzen. Wichtiger finde ich, dass sich die Bischöfe die Frauenförderung in Hannover auf die Fahnen geschrieben haben und wir über ein neues Miteinander von Priestern und Laien reden. Klar ist: Wir haben nur ein äußerst enges Zeitfenster, um Frauen mit Gestaltungskraft in der Kirche eine Heimat zu bieten.



KNA: Heißt das, die Kirche tut derzeit nicht genug, um ihr Potenzial auszuschöpfen und Frauen - aber auch Männer - mit Gestaltungskraft in ihren Reihen zu halten?

Glück: Ja, das ist innerkirchlich und für den Weltdienst so. Dafür reicht ein Blick auf die Bundestagswahlen im kommenden Jahr. Es ist davon auszugehen, dass es in der neuen Legislaturperiode deutlich weniger Abgeordnete geben wird, die explizit aus dem kirchlichen Milieu kommen. Ob aber die Kirche auch künftig in ethischen und gesellschaftspolitischen Debatten Gehör findet, hängt entscheidend davon ab, wie viele Menschen aus dem Umfeld der Kirche in die Öffentlichkeit gehen. Und da sieht es derzeit nicht so gut aus.



KNA: Warum?

Glück: In der Politik geht es immer darum, einen Kompromiss zu treffen zwischen den eigenen Überzeugungen, denen innerhalb der Gesellschaft und denen der Kirche. Es darf nicht sein, dass sich Menschen für ihre politischen Entscheidungen hinterher innerkirchlich beschimpfen lassen müssen. Anders formuliert: Ich wünsche mir von der Kirche mehr Ermutigung zum öffentlichen Engagement.



KNA: Sie haben sich ein ganzes Leben lang öffentlich engagiert. Wie lange wird es den ZdK-Präsidenten Alois Glück geben?

Glück: Meine Amtszeit läuft im November 2013 aus.



KNA: Und dann?

Glück: Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.



KNA: Noch eine letzte Frage an Sie als Mitglied der Ethikkommission "Sichere Energieversorgung". Ist die Energiewende auf einem guten Weg?

Glück: Wichtig ist, dass sie kaum mehr in Frage gestellt wird. Im Vordergrund steht jetzt die weitere Entwicklung der Strompreise und die Gewährleistung einer jederzeit sicheren Stromversorgung. Beides halte ich trotz der Komplexität für lösbare Aufgaben. Für mich bleibt die Energiewende das Pilotprojekt schlechthin für eine nachhaltige und wirtschaftliche Lebensweise, die unseren Nachkommen keine Schulden hinterlässt sondern positive Perspektiven bietet.



Das Interview führte Joachim Heinz (KNA)