Papstberater Söding empfiehlt das neue Jesusbuch

Jenseits von Naivität und Fundamentalismus

Als geistliche Schriftlesung mit theologischem Tiefgang beschreibt Thomas Söding, Professor für Neues Testament, das neue Papstbuch über Jesus. Der päpstliche Berater empfiehlt im domradio.de-Interview das Buch. Die intensive Auseinandersetzung mit Jesu verleihe dem Glauben Auftrieb.

 (DR)

domradio.de: Warum behandelt jetzt erst der dritte Band den Beginn des Lebens von Jesus?

Söding: Vielleicht wäre es ein bisschen langweilig, wenn man alles nur nach der chronologischen Reihenfolge machen würde. Insgesamt kann man erkennen, dass der Papst in erster Linie ein theologisches Interesse an Jesus hat, insbesondere an der Verkündigung Jesu selbst und deswegen war es ihm offensichtlich ein ganz ganz starkes Anliegen zunächst einmal in aller Ruhe und Ausführlichkeit darzustellen, wofür Jesus eigentlich gestanden hat, was er eigentlich gebracht hat, was er verkündet hat und dann hat er gezeigt, dass Botschaft und Bote zusammengehören. Deswegen muss man sich auch mit der Geschichte Jesu beschäftigen, nicht nur mit seinem Tod, sondern auch mit seiner Geburt.



domradio.de: Als der erste Band über Jesus Christus vor rund fünf Jahren erschienen ist, war das Erstaunen groß. Ein Papst schreibt ein ganzes Buch und das ist dann kein lehramtliches Schreiben, sondern für die theologische Diskussion gedacht. Was will der Papst mit dieser Trilogie über Jesus Christus Ihrer Meinung nach erreichen?

Söding: Zunächst einmal muss man sagen, dass er das neben seinem Amt geschafft hat , einen dreibändiges Werk zu schreiben. Er schreibt ja in seinen Mußestunden. Ich sage einmal Hut ab! Das spricht für eine gewisse Disziplin. Das zeigt auch, wie wichtig ihm diese Gestalt Jesu gewesen ist und das, was man theologisch an Jesus selber erkennen kann. Das ist wahrscheinlich auch die eigentliche Antwort auf ihre Frage: Was will er? Der Papst hat jetzt ein Jahr des Glaubens ausgerufen, der Glaube hat einen bestimmten Inhalt, aber der Glaube muss sich immer auch an bestimmten Personen festmachen. Die mit Abstand wichtigste Person ist Jesus selbst. Der Papst ist fest davon überzeugt, dass eine intensive Auseinandersetzung mit der Gestalt, mit der Geschichte, mit der Verkündigung Jesu, das einzige ist, was dem Glauben Auftrieb verleihen soll. Das Buch über Jesus wollte er immer geschrieben haben und jetzt hat er es gemacht.



domradio.de: Papst Benedikt XVI. vertraut der Bibel als historischer Quelle. Für Sie als Bibelexperten, wieviel können wir denn heute überhaupt noch gesichert über Jesus wissen?

Söding: Das ist die Frage, wo man ansetzen will, wir haben in relativ kurzem zeitlichen Abstand immerhin gleich vier Berichte über Jesus, über die Evangelien. Das ist für die Verhältnisse der Antike sehr sehr ungewöhnlich. Allerdings sind das alles - Gott sei Dank - keine neutralen Reportagen, sondern es sind ganz dezidierte Zeugnisse des Glaubens. Das ist vielleicht die theologische Leitidee des Papstes, zu zeigen, dass diese Perspektive des Glaubens Jesus viel besser verstehen kann als wenn man sich in sicherer Distanz nur mit den äußeren Umständen Jesu beschäftigen wollte. Allerdings muss man natürlich dann aus der Tatsache, dass es da vier Berichte gibt, die auch unterschiedlich sind, Schlussfolgerungen ziehen, sie genau miteinander vergleichen. Da wird man Gemeinsamkeiten und Widersprüche entdecken. Das hat der Papst gemacht, auch jetzt in dem ersten Band, der sich ja einem sehr, sehr schwierigem Thema nähert, wie ist eigentlich die Geschichte Jesu ganz am Anfang gelaufen.



domradio.de: Sie haben das Buch vorab schon gelesen, was haben Sie denn Neues gelernt über den Jesus, den der Papst beschreibt?

Söding: Es ist vor allen Dingen erst einmal eine sehr schöne Zusammenfassung, auch dessen, was man exegetisch-gläubig über Jesus sagen kann. Ich will zwei Akzente herausheben: Das eine ist, die sogenannten Kindheitsgeschichten befriedigen eigentlich weniger unsere Neugier über allerlei sozusagen Nebensächlichkeiten von Jesus, sondern sie stellen Jesus in die Geschichte des jüdischen Volkes hinein, sie verbinden Jesus mit der Frömmigkeit der Psalmen, mit der Frömmigkeit des Tempels, sie beleuchten den alttestamentlichen Hintergrund und sie sagen, mit Jesus beginnt nicht die Stunde null, sondern es kommt das zum Vorschein, woraufhin - so jedenfalls der christliche Glaube - der Glaube, der Weg Israels immer ausgerichtet gewesen ist. Das hat der Papst sehr sehr stark betont und dann hat er  den harten Kern der Historie herausgearbeitet. Jesus ist ein wirklicher Mensch, Jesus ist wirklich geboren und hat nachgezeichnet, wie die Evangelien diese große Aufgabe die Geburt Jesu, die Realität der Geburt Jesu mit Gott in Verbindung zu bringen, erfüllt haben.



domradio.de: Für wen ist denn das Buch nun geschrieben, auch für Nicht-Theologen?

Söding: Ich persönlich finde die Sprache sehr zugänglich. Es ist für alle geschrieben worden, die jetzt etwas mehr wissen wollen, warum sie vielleicht Weihnachten überhaupt in die Kirche gehen. Man wird informiert über wichtige Aspekte, auch der kontroversen Diskussion. Der Papst macht aus seinem Glauben kein Geheimnis, er hat ein großes Gottvertrauen in die historische Substanz dieser Geschichten, aber das ist jenseits von Naivität und jenseits Fundamentalismus, es ist im Grunde geistliche Schriftlesung mit theologischem Tiefgang und mit exegetischer Kompetenz.



Das Interview führte Verena Tröster (domradio.de)