Christen stehen zwischen den Fronten

Angst im Heiligen Land

Seit vier Tagen dauert die israelische Militäroperation "Säule der Verteidigung" an. 550 abgefeuerte Raketen aus dem Gazastreifen, drei getötete Zivilisten und 20 Verletzte verzeichnet das israelische Außenministerium bislang. Die palästinensische Seite spricht inzwischen von über 40 Toten durch israelische Luftangriffe. Zwischen den Fronten stehen mit zahllosen anderen Zivilisten auch Angehörige der christlichen Gemeinden zu beiden Seiten der Grenze.

Autor/in:
Andrea Krogmann
 (DR)

Die kleine römisch-katholische Pfarrei in Gaza ist seit Tagen nicht mehr telefonisch erreichbar. In der Stadt betreiben Ordensschwestern unter anderem eine Schule und eine Behinderteneinrichtung. Es herrscht andauernd Stromausfall, der Kontakt ist weitgehend abgeschnitten. Über das lateinische Patriarchat in Jerusalem ist zu erfahren, dass die Schwestern von intensivem Beschuss berichteten. Die Ordensfrauen hätten ihren Konvent zeitweilig verlassen müssen, heißt es. Auch die behinderten Kinder seien zum Schutz in sicherere Räume gebracht worden.



Von einem "Teufelskreis der Gewalt" sprach der Jerusalemer Weihbischof William Shomali. "Der eine schießt, der andere antwortet, ohne Maß." Nötig sei eine internationale Vermittlung. "Allein werden Israel und Hamas in einem Kreislauf der Vergeltung bleiben." Shomali fügte auch hinzu, es sei schwer zu beurteilen, wer mit der Gewalt begonnen habe. Das nahmen ihm manche übel, auf beiden Seiten.



Auch in Beerscheva werden die Menschen seit Mittwoch immer wieder durch Sirenen aufgeschreckt. Mehrere Raketen gingen im Stadtgebiet nieder; verletzt wurde bislang niemand. Erst am Samstagmorgen vereitelte die Armee einen neuerlichen Beschuss durch eine Hamas-Zelle. "Seit Tagen bewegt sich unser Leben zwischen Alltag und Schutzraum", sagt Gioele Salvaterra, aus Bozen stammender katholischer Priester in der südisraelischen Universitätsstadt. Die Gottesdienste will er "je nach Entwicklung" demnächst womöglich von der Kapelle in den Bunker verlegen.



Angst vor einer weiteren Eskalation

Salvaterras Gemeinde umfasst jüdischstämmige und arabische Israelis, Zuwanderer aus Russland, Rumänien, Polen, Indien, dazu zahlreiche ausländische Studierende. So unterschiedlich die Herkunft ist - jetzt eint sie die Angst. Der Konflikt schürt noch einmal das Misstrauen zwischen Juden und Arabern. Besonders die arabischen Christen in Beerscheva seien deshalb in einer schwierigen Situation, sagt Pfarrer Salvaterra. Doch auch sie, so der Geistliche, "leiden unter dem Beschuss ebenso wie die hebräischsprachigen Christen".



Die Angst vor einer weiteren Eskalation ist groß, zumal die Angriffe aus dem Gazastreifen jetzt auch Tel Aviv und Jerusalem bedrohen. Erstmals seit Jahrzehnten ist in der Heiligen Stadt die Möglichkeit eines Raketeneinschlags reale Gefahr. Die Bürger reagieren dennoch mit Routine und Nüchternheit. Aus Sicherheitsgründen blieben am Sabbat mehr Einrichtungen als sonst geschlossen, auch christliche Schulen. Aber Panik bleibt aus. Soweit es geht, versucht man an der Normalität festzuhalten.



Und viele hoffen auf die Kraft des Gebets. Eine Gruppe junger hebräischsprachiger Christen versammelte sich am Freitag zu einer Gebetsnacht in der Grabeskirche. Auch in Gaza finden Anbetungsstunden und Messen für den Frieden statt. Nur, so ein Kirchensprecher, wird wegen der Kriegshandlungen kaum einer teilnehmen können.