Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland nehmen zu

Der Osten holt auf

Rechtsextreme Einstellungen nehmen in Deutschland wieder zu. Neun Prozent aller Deutschen haben ein "geschlossenes rechtsextremes Weltbild", wie eine am Montag in Berlin vorgestellte Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung ergab. 2010 waren es noch 8,2 Prozent. Besonders deutlich zeigt sich die Radikalisierung in Ostdeutschland: 15,8 Prozent der Befragten wiesen hier rechtsextremes Denken auf, 2010 waren es noch 10,5 Prozent.

 (DR)

Ausländerfeindlichkeit ist mit mehr als einem Viertel die am weitesten verbreitete rechtsextreme Einstellung, stellten die Forscher fest. Jeder elfte Deutsche hat zugleich manifeste antisemitische Einstellungen. Zum ersten Mal findet Antisemitismus sich in Ostdeutschland häufiger als in Westdeutschland.



Zur Messung rechtsextremistischer Einstellungen nahmen die Wissenschaftler sich fünf Themenbereiche vor: Sie stellten Fragen darüber, inwieweit eine rechtsautoritäre Diktatur befürwortet wird, zu chauvinistischen Einstellungen (zum Beispiel, ob ein "hartes Durchsetzen deutscher Interessen" unterstützt würde), zur Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und der Verharmlosung des Nationalsozialismus.



Vorurteile und Aversionen

Besonders deutliche Ergebnisse erzielte die Studie bei der Ausländerfeindlichkeit. Knapp 54 Prozent der Ostdeutschen meinen demnach, Ausländer kämen nur nach Deutschland, um den Sozialstaat auszunutzen. In Westdeutschland waren es 31,4 Prozent. Fast 44 Prozent der Ostdeutschen und nahezu 36 Prozent der Westdeutschen sehen überdies Deutschland als "in gefährlichem Maße überfremdet" an.



Auch beim Antisemitismus legten die Forscher dramatische Ergebnisse vor: Rund jeder fünfte Befragte meint demnach, dass auch heute "der Einfluss der Juden zu groß" sei. Knapp 23 Prozent der Ost- und 16,5 Prozent der Westdeutschen sagen zudem, die Deutschen seien eigentlich von Natur aus anderen Völkern überlegen. Insgesamt 10,6 Prozent sind zudem überzeugt, dass es wertvolles und unwertes Leben gäbe.



Auch bei der Islamfeindschaft sind die Zahlen deutlich: 57,5 Prozent der Deutschen behaupten demnach, der Islam sei rückständig.

Mehr als 56 Prozent halten den Islam für eine "archaische Religion". Rassismus verschiebe sich in hohem Maße auf den Islam und komme "im Kleid des Kulturalismus" daher, warnen die Autoren der Studie: Rassismus werde religiös-kulturell begründet, nicht mehr mit einer vermeintlichen "biologischen Rückständigkeit".



Knapp 16 Prozent der Ostdeutschen wiesen derzeit ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild auf - Tendenz steigend, resümieren die Forscher in ihrer Studie. Besonders besorgniserregend dabei sei, dass die 14- bis 30-jährigen Ostdeutschen hierbei erstmals höhere Werte aufwiesen als die Befragten ab 60 Jahren. Alleine mit Strukturproblemen sei dies nicht mehr zu erklären. Soziale Abstiegsängste hätten gleichwohl seit jeher einen großen Einfluss auf die Entstehung rechtsextremer Einstellungen, erklärte Oliver Decker, einer der Autoren der Studie.



Demokratie wird anerkannt

Als positiv bewerteten die Forscher, dass knapp 95 Prozent der Deutschen mit der Demokratie als Staatsform zufrieden sind. Zugleich wiesen sie darauf hin, dass Bildung als "Schutzfaktor" vor rechtsextremen Einstellungen wirkt. Personen mit Abitur neigen demnach deutlich weniger zu rechtsextremem Denken als Personen ohne Abitur.



Allerdings hielten es zugleich fast 60 Prozent der Befragten für "sinnlos", sich politisch zu engagieren. Die Möglichkeiten zur politischen Teilhabe würden offensichtlich noch nicht genug wahrgenommen, sagte Decker.



Für die alle zwei Jahre erscheinende Studie "Die Mitte im Umbruch" wurden im Sommer 2012 mehr als 2.500 repräsentativ ausgewählte Menschen befragt. Die "Mitte"-Studien werden seit 2006 herausgegeben und sollen darauf hinweisen, dass rechtsextremes Denken in Deutschland ein Problem der Mitte der Gesellschaft ist.



Bischof Abromeit verurteilt Herausreißen von "Stolpersteinen"

Derweil hat Der Pommersche evangelische Bischof Hans-Jürgen Abromeit hat den jüngsten judenfeindlichen Vorfall in Greifswald scharf verurteilt. Vor dem Jahrestag der Pogromnacht des 9. November

1938 hatten Unbekannte zehn Stolpersteine, die an jüdische NS-Opfer erinnern, aus dem Pflaster gerissen. Die Polizei geht von einem rechtsextremistischen Hintergrund aus. "Die, die sich als Kümmerer für die Nöte der Langzeitarbeitslosen anbieten und gleichzeitig Fackelzüge am Gedenktag der Reichspogromnacht organisieren und die Stolpersteine aus den Straßen entfernen, um den Raub der Menschenwürde und die Vernichtung unserer jüdischen Mitbürger vergessen machen zu wollen, die haben keine Lösungen für heute", sagte Abromeit am Sonntagabend in der Greifswalder Jacobikirche.



Bei dem Gottesdienst zur Eröffnung der Friedensdekade 2012 unter dem Motto "Mutig für Menschenwürde" rief Abromeit dazu auf, in der Gesellschaft für ein christliches Menschenbild einzutreten. "Das Recht auf Leben, das Recht auf unversehrte körperliche Existenz und das Recht auf Arbeit gehören in diesem Menschenbild zusammen", so der evangelische Bischof. Christen sollten "anfangen und Akzente setzen, Neues wagen, Widerstand leisten und protestieren, wo dieses Menschenbild verachtet wird".






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