Präses Schneider mit Bilanz der EKD-Synode zum Reformationsjubiläum

Gemeinsam zu Christus

Das Gedenken an Luthers Thesenanschlag richte sich nicht gegen andere Konfessionen, betont Präses Schneider. "Wir hoffen sehr, dass die römisch-katholische Schwesterkirche sich einladen lässt, auch dieser Umkehr zu Christus zu gedenken." Der EKD-Ratsvorsitzende bilanziert die ersten Beratungen zum Reformationsjubiläum 2017.

 (DR)

domradio.de: Wie fällt Ihre Bilanz der Synode aus?

Präses Schneider: Die Synode hat deutlich gemacht, dass wir das Reformationsjubiläum nicht als ein nationales deutsches Ereignis wollen, sondern wir wollen den Thesenanschlag in Wittenberg als Aufforderung sehen, zu Christus umzukehren und nicht gegen andere - auch nicht gegen andere Konfessionen - richten. Insofern wollen wir als deutsche Kirchen eine Plattform bieten, dass unsere befreundeten Schwesterkirchen aus der Ökumene sich einbringen können und auch darstellen können, was die Reformation für sie bedeutet und wie sie als evangelische Kirchen weltweit ihren Glauben leben. Wir hoffen auch sehr, dass die römisch-katholische Schwesterkirche sich einladen lässt, auch dieser Umkehr zu Christus zu gedenken. Denn das muss man sagen, die Reformation hat ja auch die römisch-katholische Kirche erheblich verändert. Die Reformation ist noch nicht vollendet. Man muss sagen, sie ist darin gescheitert, dass wir dann nachher in der Folge eine neue Kirche bekommen haben, die aber eben in ihrer Weise die alte Kirche sein wollte.



domradio.de: Sie haben gerade gesagt, dass Sie hoffen, dass sich die katholische Kirche einladen lässt, ist denn geplant, die katholische Kirche in die Feierlichkeiten auch einzubinden?

Präses Schneider: Wir sind in Gesprächen mit der Deutschen Bischofskonferenz, wir haben etwa eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die unter dem Thema "Healing of memories" arbeitet, also was ist zwischen uns geschehen, worum wir wirklich um Verzeihung bitten müssen, worum wir wirklich Gott um Verzeihung bitten müssen, weil wir unserem Auftrag christliche Kirche zu sein, nicht gerecht wurden. Das macht schon deutlich, dass wir uns auch diesem schmerzhaften Prozess stellen wollen, damit dann aus befreitem Herzen gefeiert werden kann, dass dieser Thesenanschlag die Aufforderung ist, Buße zu tun, umzukehren, zu Christus zu gehen.



domradio.de: Der katholische Hamburger Erzbischof Werner Thissen hat auf ihrer Synode dazu aufgerufen, die Kirchenspaltung nicht zu vertiefen. Wie wollen Sie das verhindern?

Präses Schneider: Dadurch dass wir nicht so miteinander reden, dass die Unterschiede sich gegen den anderen wenden, sondern dass wir die Unterschiede, die wir haben, darauf abklopfen, wo auch Grundgedanken, Grundvorstellungen des anderen vorkommen. Dass wir also das Gemeinsame betonen. Eines muss man doch auch sagen: Wir haben sehr viel mehr gemeinsam als dass wir Unterschiede haben.



domradio.de: Was ist das Wichtigste für Sie, das die evangelische und die katholische Kirche gemeinsam haben?

Präses Schneider: Wir haben gemeinsam, dass Christus im Mittelpunkt steht, dass wir beide davon ausgehen, dass Christus seine Kirche leitet, dass er das Haupt der Kirche ist und dass er derjenige ist, in dem Gott uns Menschen begegnet und uns das Heil vermittelt. Das ist das Zentrale.



domradio.de: Wie sollen denn die Feierlichkeiten in fünf Jahren aussehen? Haben Sie auf der Synode schon ganz konkrete Pläne geschmiedet?

Präses Schneider: Nein, das haben wir nicht, sondern wir haben die Synode darüber informiert, welche Grundgedanken es gibt. Wir haben uns mit dem Deutschen Evangelischen Kirchentag zusammengetan, um in der Lage zu sein, auch bestimmte Großereignisse zu feiern. Wir hoffen, dass wir einen großen Gottesdienst haben, das ist das Wichtigste. Wir hoffen, dass wir Jugendliche zu einem Sommerlager einladen können. Wir hoffen, dass es eine Plattform in Wittenberg gibt, um das Leben der christlichen Kirchen weltweit darzustellen und wir hoffen, dass wir die Kraft haben, dass dies dann auch an 95 Tagen geschehen kann.



domradio.de: Beiden Kirchen laufen ja bekanntlich die Mitglieder weg, haben Sie auch darüber gesprochen, wie Sie dieses Problem in der evangelischen Kirche in den Griff kriegen wollen?

Präses Schneider: Ja, in meinem Bericht habe ich die Problematik angesprochen. Uns laufen die Leute ja nicht in Scharen weg, sondern wir haben aufgrund der demografischen Entwicklung die massiven Probleme, aber wir verlieren auch Leute und das ist natürlich etwas, das uns wirklich sehr schmerzt.



Die erste Herausforderung ist, wie reden wir vom Glauben so, dass die Bedeutung des Glaubens für den Alltag der Menschen, für einen jeden und eine jede erkennbar wird. Das ist die Hauptherausforderung und die zweite Herausforderung ist - das ist nicht nur eine Aufgabe von Bischöfen und Theologen, sondern von allen unseren Gemeindegliedern - die Sprachfähigkeit im Glauben unserer Gemeinden, unserer Gemeindeglieder zu stärken.



domradio.de: Es gibt jetzt sicherlich eine ganze Menge zu tun bis 2017. Was muss jetzt zuallererst angepackt werden?

Präses Schneider: Zuallererst muss angepackt werden, dass wir dieses Bekenntnis von Jesus Christus als das Entscheidende für das Leben eines jeden Menschen verständlich und einladend unter die Menschen bringen.



Das Interview führte Monika Weiß (domradio.de)



Hintergrund:

Die evangelische Kirche nimmt Kurs auf das 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017. Zum Abschluss ihrer Jahrestagung beschloss die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Mittwoch eine Erklärung mit dem Titel "Am Anfang war das Wort...", mit der das Kirchenparlament für eine Wiederbelebung des Glaubens wirbt. Für viele Menschen sei Gott heute "kein Thema mehr". "Damit können wir uns nicht abfinden", heißt es in der sogenannten Kundgebung, die im Ostseebad Timmendorfer Strand verabschiedet wurde.



In fünf Jahren begehen die protestantischen Christen den 500. Jahrestag des Thesenanschlags Martin Luthers (1483-1546) an die Schlosskirche zu Wittenberg. Die Veröffentlichung der 95 Thesen zu den damaligen Verhältnissen in der Kirche gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation.



Synodenpräses Katrin Göring-Eckardt äußerte sich optimistisch zur geplanten Einbeziehung der katholischen Kirche in die Feiern zum Reformationsjubiläum. Das evangelische Kirchenparlament habe den "großen Wunsch" deutlich gemacht, den 500. Jahrestag des Thesenanschlags in fünf Jahren ökumenisch zu feiern, sagte Göring-Eckardt zum Abschluss der viertägigen Beratungen. In Gesprächen mit der katholischen Seite sei erkennbar geworden, dass es "durchaus Brücken gibt", über die Protestanten und Katholiken gemeinsam gehen könnten.



Internationale Begegnung geplant

Die Kundgebung der EKD-Synode stellt heraus, dass das Jubiläum 2017 international begangen werden soll. "Die Reformation ist Weltbürgerin geworden. Sie gehört allen", erklärt das Kirchenparlament in den theologischen Impulsen: "Wir freuen uns auf ein Jubiläum, das wir gemeinsam mit den Kirchen in Europa und weltweit feiern wollen."



Ausdrücklich weist die Erklärung auf die Schattenseiten in der Reformationsgeschichte hin: "Der Reformation war die Toleranz in die Wiege gelegt - allzu oft bliebt sie dort liegen." Unter anderem werden "Martin Luthers Ausfälle gegen die Juden oder gegen die Bauern im Bauernkrieg" erwähnt.



Bereits seit 2008 weist die evangelische Kirche mit Veranstaltungen im Rahmen der sogenannten Lutherdekade auf die Feiern im Jahr 2017 hin. Bei der Synodentagung in Timmendorfer Strand sprach sich der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider dafür aus, den Jubiläums-Reformationstag am 31. Oktober 2017 zum bundesweiten Feiertag zu erklären. Derzeit ist der Reformationstag nur in den ostdeutschen Ländern mit Ausnahme Berlins arbeitsfrei.



Vertiefung der innerprotestantischen Ökumene

In getrennten Sitzungen beschlossen die konfessionellen Bünde in der EKD, die innerprotestantische Ökumene zu vertiefen. Danach soll das Miteinander von unierten und lutherischen Kirchen und EKD weiterentwickelt werden. Als erste Schritte sind eine Auswertung des bisherigen Verbindungsmodells und Vorschläge zu dessen Weiterentwicklung vorgesehen. Zudem sollen alle Beteiligten in theologischen Gesprächen Fortschritte auf der Ebene der kirchlichen Bekenntnisse anstreben.



Der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Gerhard Ulrich sagte, die Generalsynode sei zur Stärkung des Verbindungsmodells bereit. Es handele sich allerdings nicht um einen "Auflösungsbeschluss". Vielfalt sei eine der Stärken des deutschen Protestantismus, ergänzte Ulrich. Für die Union Evangelischer Kirchen (UEK) sagte der badische Landesbischof Ulrich Fischer, die Vorschläge der beiden konfessionellen Bünde seien kompatibel. Ziel sei die Vertiefung der bestehenden Kirchengemeinschaft und die Optimierung der Verzahnung der evangelischen Kirchenparlamente. Aus diesem Prozess werde niemand unverändert hervorgehen, sagte Fischer. Die VELKD vereint sieben lutherische Landeskirchen mit rund acht Millionen Gemeindemitgliedern. Die Union Evangelischer Kirchen umfasst zwölf Landeskirchen.



Nach dem Willen der lutherischen Generalsynode sollen nach einer Evaluation Vorschläge für eine Fortentwicklung des Verbindungsmodells 2014 vorgelegt werden. Zudem sprach sich die VELKD für theologische Gespräche mit den anderen Partnern über die Bekenntnisfrage aus, um bis 2017 zu einer "neuen Qualität des Verbindungsmodells" zu kommen.