Bundeskanzlerin Merkel spricht vor der EKD-Synode

Premiere in Timmendorfer Strand

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat erstmals eine Synodentagung der Evangelischen Kirche in Deutschland besucht. Ihr Auftritt war kurz, aber herzlich. In einer mitreißenden Rede ermutigte sie ihre Kirche zu einem aktiven Auftreten – und betonte die gemeinsame Grundlage der christlichen Kirchen.

Autor/in:
Benjamin Lassiwe
 (DR)

Posaunen erklingen, als Angela Merkel durch den Plenarsaal im Timmendorfer Maritim-Hotel schreitet. Die Mitglieder der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) singen einen Choral, während der Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider und die Präses der Synode, Katrin Göring-Eckardt, die Kanzlerin nach vorn geleiten. "Ich darf Sie im Kreise Ihrer Glaubensgeschwister sehr herzlich willkommen heißen", sagt Göring-Eckardt, die an diesem Montag noch nicht wusste, ob sie im Wahlkampf zur grünen Herausforderin von Angela Merkel werden sollte.



In ihrer Begrüßung erinnert die Theologin an die Lutherdekade, die Veranstaltungen in Evangelischen Akademien, die Reformationsbotschafterin Margot Käßmann. "Wir sind dankbar, dass die Bundesregierung und der Bundestag fraktionsübergreifend die Tragweite des Reformationsjubiläums umgesetzt haben", sagt Göring-Eckardt. Auch Merkel habe deutlich gemacht, dass "Religion in Ihrem Leben eine wichtige Rolle spielen."



Doch zunächst spricht der Vizepräsident des Schweizer Kirchenbunds, Peter Schmid. Die Kanzlerin erlebt Synodenstimmung. "Verehrte Frau Bundeskanzlerin, ich möchte ihnen zunächst ein Geschenk übergeben, was nach meiner Wahrnehmung in letzter Zeit in Deutschland sehr geschätzt wird." Schmid hält eine CD hoch, Gelächter im Saal. "Meine Damen und Herren, Sie kennen offenbar den Inhalt - da können wir ja auf das Bankgeheimnis verzichten und gleich auf das Geheimnis des Glaubens übergehen." Schmid erinnert an Zwingli und Calvin, wirbt für Vielfalt. Die Kanzlerin sitzt immer noch in der ersten Reihe, widmet sich ihren Unterlagen.



Jubiläum oder Gedenken?

Als Merkel dann ans Rednerpult tritt, ist sie die erste, der ein Kellner ein Glas Wasser bringt. "Nun lassen Sie mich also als ein Teil des weltlichen Regiments zu Wort kommen", beginnt sie launig. "Von mir ist ja nichts Schlimmes zu erwarten, man ist ja froh, wenn man von der Kirchenseite freundlich behandelt wird", sagt die Kanzlerin und bedankt sich für die CD ihres Vorredners. "Ich schaue dann mal, was da drauf ist." Anschließend zeigt sich, was Göring-Eckardt mit dem Begriff "Glaubensgeschwister" gemeint hat. Merkel hält eine mitreißende Rede, ermutigt ihre Kirche zu aktivem öffentlichen Auftreten. Sie hoffe auf eine "missionarische Wirkung" des Reformationsjubiläums, erklärt die Kanzlerin - ein pietistischer Prediger aus dem Erzgebirge könnte es nicht besser.



Für Merkel ist es "nicht belanglos", ob es in einer Gesellschaft ein Verständnis für die Grundlagen des christlichen Glaubens gebe. Die Präambel des Grundgesetzes beginne nicht ohne Grund mit dem Satz: "Im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen." Sie hoffe deshalb, so Merkel, dass durch das Jubiläum "etwas vom Geist der Reformation zu den Menschen gelangt, die vom Geist der Reformation vielleicht schon lange nicht mehr oder nie gehört haben". Sie spricht vom Auftrag der Kirchen, Werte zu vermitteln, und von ihrem "Wächteramt". "Es ist deswegen ganz wichtig, dass die Feierlichkeiten des Reformationsjubiläums auch Impulse zu einer religiösen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Bildung leisten, auch für jene, die sich keiner Religion zugeordnet sehen." Die Synode applaudiert.



Irritiert zeigt sich die Kanzlerin dagegen über die ökumenische Debatte um die Frage, ob es sich beim 500. Jahrestag der Reformation um ein "Jubiläum" oder einen Anlass zum "Gedenken" handelt. "Schon der Begriff Jubiläum kann offenbar Anlass zu Diskussionen bieten", so Merkel. Aber "in einer säkularen Welt sollten wir das Gemeinsame der christlichen Religionen in den Vordergrund stellen". Zum Schluss dankt sie den Kirchen für ihr Engagement beim Klimaschutz, in der Entwicklungshilfe und für den Zusammenhalt Europas - und dafür, dass sie vor der Synode reden durfte. Begleitet von Posaunenmusik und Choralgesang, verlässt sie durch den Mittelgang den Saal. "Ein feste Burg ist unser Gott" - ein Lied, das auch die Kanzlerin auswendig mitsingt. Selbst im Gehen, auf dem Weg nach Hause.