Intensivere Militärseelsorge auf Gorch Fock

"Ohr abkauen" auf hoher See

Zwei Jahre nach dem Skandal sticht das Segelschulschiff Gorch Fock Ende November wieder in See. Zum neuen Ausbildungskonzept gehört auch eine intensivere Seelsorge der Kadetten, erklärt der Leitende Militärdekan Monsignore Rainer Schadt im domradio.de-Interview. Hauptaufgabe des Pfarres sei es, sich von der Crew ein "Ohr abkauen zu lassen" im besten Sinne des Wortes.

 (DR)

domradio.de: Auf der Gorch Fock soll in Zukunft immer ein Militärgeistlicher mitsegeln und sich dort gezielt um Belange der jungen Kadetten kümmern. Wie ist diese Idee entstanden?  

Militärdekan Rainer Schadt: Für uns von der Militärseelsorge ist das nicht neu. Wir begleiten die Gorch Fock seitdem sie in Dienst gestellt worden ist. Wir intensivieren jetzt die Begleitung, weil die Marine ihr Ausbildungskonzept für dieses Segelschulschiff völlig verändert hat und wir schiffen nun bei den langen Turns Militärgeistliche ein, was wir vorher so nicht getan haben.



domradio.de: Was ist dann ihre Aufgabe, wenn Sie bei den langen Turns dabei sind?

Schadt: Die Hauptaufgabe eines Pfarrers oder wenn wir evangelischerseits auch eine Pfarrerin einschiffen werden, ist erst einmal an Bord eines solches Schiffes der deutschen Marine da zu sein und zuzuhören. Den Soldaten ein Ohr zu schenken. Wenn er gut ist, wenn die Soldaten, die Crew Vertrauen zu ihm fasst, dann bekommt er "ein Ohr abgekaut" im besten Sinne des Wortes. Er feiert natürlich Gottesdienst und hält den lebenskundlichen Unterricht. Das ist der Ethikunterricht für die deutschen Soldaten, damit sie die Ethik, die zum Beruf des Soldaten gehört, auch da erlernen können.



domradio.de: Sie haben gesagt, da wird im besten Falle dem Seelsorger "ein Ohr abgekaut", Militärseelsorger gelten dann bei den Soldaten traditionell als erste Ansprechpartner bei Problemen?

Schadt: Ich sage aus tiefem Herzen  und aus eigener Erfahrung ja, weil ich auf der Gorch Fock schon gefahren bin und auch auf grauen Schiffen, das heißt auf normalen Schiffen der Marine schon im Einsatz war. Eine solche Crew ist ja auf sich zurückgeworfen, sie ist monatelang zusammen, sie ist auf hoher See, sie ist auch dem Unwillen der Natur ausgesetzt, man hat liebe Menschen zu Hause, man ist fern der Heimat, es gibt Sorgen, es gibt Nöte, es gibt Freuden, es gibt Probleme und ein Militärpfarrer, der absolute Vertraulichkeit garantiert, ist da der beste Ansprechpartner.



domradio.de: Welche besonderen Aufgaben kommen konkret auf die Geistlichen auf dem Segelschulschiff Gorch Fock zu? Werden sie gezielt auf ihren Einsatz vorbereitet oder ist das die ganz normale Militärseelsorge?

Schadt: Nein, das ist sie nicht. Wir brauchen für diesen Einsatz Pfarrer, die auch eine besondere physische Voraussetzung haben, das nennt man bei der Bundeswehr "Einsatztauglichkeit" und für die Marine "Bordverwendungstauglichkeit", sie müssen einfach auch physisch fit sein, um sich an Bord eines solches Schiffes aufhalten zu können und das über längere Zeit. Wir verlangen zusätzlich seitens der Militärseelsorge noch eine bedeutende pastorale Kompetenz, wir sind alleine an Bord eines solchen Schiffes als Geistliche eingesetzt, der Geistliche muss auch theologisch und psychologisch stabil sein. Er muss das Gleiche aushalten können wie die Soldaten und muss zusätzlich für deren Anliegen noch zur Verfügung stehen.



domradio.de: Die geplante Einschiffung eines Geistlichen bei den längeren Turns gehört zu einem Paket von Reformen an Bord der Gorch Fock, nachdem das einstige Vorzeigeschiff Deutschlands vor knapp zwei Jahren durch zwei Todesfälle an Bord und Klagen der Kadetten über harsche Ausbildungsmethoden in die Schlagzeilen geraten war. Glauben Sie, dass sich jetzt auch durch den verstärkten Einsatz der Geistlichen das Image verbessern wird?

Schadt: Sie werden verstehen, wenn ich als zuständiger katholischer Dekan für die Marine sage, dass für mich das Image der Gorch Fock nie beschädigt war, die Gorch Fock ist ein hervorragendes Schiff, einmal als Gebilde. Aber da ich die Crew, auch die Stammcrew, in früheren Jahren schon kannte und weiß, wer dort Verantwortung getragen hat und wie die Verantwortung wahrgenommen ist, ist die Gorch Fock nach wie vor für mich ein herausragendes Schiff, ein Botschafter der Bundesrepublik Deutschland. Die Seefahrt an Bord eines Großseglers ist in sich gefährlich, wenn man zusätzlich noch Menschen an Bord hat, die ausgebildet werden, Offiziersanwärter, die dieses Handwerk der Seefahrt erlernen, die sich diesen Naturgewalten stellen, gibt es aus der Situation heraus schwierige Fälle und auch Notlagen. Leider Gottes sind Menschen ums Leben gekommen, was in sich traurig genug ist und dem Schiff und der Besatzung natürlich schadet, es belastet deswegen umso mehr. Wenn ein Geistlicher an Bord ist, kann er helfen, solche Situationen auf- und abzufangen. Die deutsche Marine hat reagiert, ihr Ausbildungskonzept wegen der Unglücksfälle deutlich verändert, und wie ich finde auch deutlich verbessert, und wir wollen als Militärseelsorge unseren Teil dazu beitragen, dass die Gorch Fock wieder wirklich als Idealbild und Botschafter der Bundesrepublik Deutschland, was die Seefahrt angeht, gilt.



Das Interview führte Matthias Friebe (domradio.de)





Hintergrund

Im November 2010 war die Ausbildung auf dem Segelschulschiff nach zwei Todesfällen an Bord und Kritik an den Ausbildungsmethoden unterbrochen worden. Zudem setzte der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) den Kapitän ab. Nach einer Ausbildungsreform soll die "Gorch Fock" Ende November wieder in See stechen. Die Präsenz der Militärseelsorger ist dabei Teil des neuen Ausbildungskonzepts. Dies entspricht auch einem seit langem bestehenden Wunsch der beiden großen Kirchen.



Die Ausbildungsfahrten betreuen abwechselnd ein katholischer und ein evangelischer Geistlicher. Für den Dienst auf der "Gorch Fock" sind die beiden Seelsorger zuständig, die der Marineschule Flensburg-Mürwick zugeordnet sind.



Die "Gorch Fock" läuft laut "Spiegel Online" am 27. November in Richtung Kanarische Inseln aus. Im Januar nimmt das Schulschiff in Las Palmas wieder Kadetten an Bord. Offizier- und Unteroffizieranwärter erhalten auf dem Segelschiff der Marine ihre praktische und theoretische Ausbildung für spätere Einsätze in der Flotte.