Katholikenkomitee nimmt Schavan in Schutz

Die falschen Fragen

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken kritisiert die Debatte um die Doktorarbeit von Annette Schavan. Bei der Kritik an der theologisch-pädagogischen Untersuchung werde die Frage nach ihrem Erkenntnisgewinn und gar nicht gestellt. Rückendeckung erhält die Bundesbildungsministerin auch aus der Wissenschaft.

 (DR)

Das Ziel einer geisteswissenschaftlichen Dissertation sei die Erfassung, Darstellung und Auswertung der vorliegenden Literatur, des früher einmal Gedachten und Geschriebenen, unter einer gegebenen, eigenständigen Fragestellung, sagte der wissenschaftspolitische Sprecher des ZdK, Thomas Sternberg, am Dienstag in Bonn.



"Heutige Promovenden werden durch hyperkritisches Vorgehen erheblich verunsichert", so Sternberg, der gleichzeitig ein "klärendes Wort aus der Wissenschaft" zu den Standards einer wissenschaftlichen Arbeit forderte. Für Sternberg drängt sich der Verdacht auf, es gehe nach dem völlig anders gelagerten Fall von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) allein darum, missliebige Politiker oder deren Unterstützer in den Geruch unseriöser Arbeit zu rücken. "Einer aufgeschreckten Öffentlichkeit wird ein Zerrbild geisteswissenschaftlicher Arbeit geboten." Die Ministerin war von 1994 bis 2005 Vizepräsidentin des ZdK.



Wissenschaftler verteidigen Schavan

Rückendeckung erhielt Schavan auch von ihrem Doktorvater und anderen Wissenschaftlern. Der Pädagogik-Professor Gerhard Wehle bezeichnete die von ihm betreute Arbeit in der "Rheinischen Post" vom Dienstag als "sehr beachtliche Leistung". Schavan habe in ihrer Dissertation einen interdisziplinären Ansatz gewählt, der damals für eine junge Studentin ein "Wagnis" gewesen sei. Die Analyse sei "gelungen" gewesen, sagte der Doktorvater. Er habe Schavan zudem als einen "ehrlichen Menschen" kennengelernt. Im Übrigen dürfe eine Arbeit aus dem Jahr 1980 nicht ausschließlich nach heutigen wissenschaftlichen Maßstäben bewertet werden.



Der Präsident der Humboldt-Stiftung, Helmut Schwarz, hielt der Universität Düsseldorf in der "Süddeutschen Zeitung" schwere Fehler in dem Prüfverfahren vor und forderte eine Untersuchung durch einen zweiten Gutachter. Es sei "skandalös", dass die Öffentlichkeit vor der Betroffenen von den Vorwürfen erfahren habe, sagte er. Martin Morlok, Parteienrechtler an der Düsseldorfer Universität, bezeichnete es im "Kölner Stadt-Anzeiger" als "klaren Vertrauensbruch", dass das Gutachten vor Abschluss des Verfahrens an die Presse gelangt sei.



Opposition: Rücktritt im Plagiatsfall

Der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth sagte im Deutschlandfunk, Schavan sei offenbar überrascht über die Vorwürfe gegen sie. "Sie ist eigentlich nicht der Typ, der doppelte und dreifache Spiele macht." Jetzt könne sie eigentlich nur noch abwarten und "hoffen, dass für sie eine halbwegs günstige Regelung kommt". Die Dissertation kränkele offenbar bei bestimmten Paraphrasierungen von Wissenschaftsergebnissen anderer. "Und da gibt es viel Spielraum in der Beurteilung, was ist Plagiat, was ist kein Plagiat".



Politiker von SPD und Grünen legten Schavan unterdessen einen Rücktritt nahe, falls sich die Vorwürfe erhärten sollten. Sie frage sich, wie "ausgerechnet die für Wissenschaft und Forschung zuständige Ministerin ihr Amt noch glaubwürdig ausüben will", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Allein der Verdacht einer wissentlichen Täuschung wiege angesichts der Vorbildfunktion schwer. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann erinnerte die Ministerin an ihre Aussagen zur Plagiatsaffäre um Guttenberg. Schavan müsse sich an ihren eigenen Maßstäben messen lassen.