Kabinett beschließt Beschneidungsgesetz

Auch ohne Religion legal

Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf zur Beschneidung verabschiedet. Nach der Vorlage aus dem Justizministerium ist eine Beschneidung von Jungen zulässig, wenn sie nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt und das Kindeswohl nicht gefährdet. Der Entwurf macht die religiöse Motivation ausdrücklich nicht zur Bedingung.

 (DR)

Bedingung ist die fachgerechte Anwendung, eine umfassende Aufklärung, eine effektive Schmerzbehandlung sowie die Berücksichtigung des Kindeswohls und - soweit möglich - des Willens des Jungen. Im Sorgerecht soll ein Paragraf eingefügt werden, wonach Eltern in den Eingriff einwilligen können, auch wenn er nicht medizinisch notwendig ist.



Das Kölner Landgericht hatte die Beschneidung eines muslimischen Jungen aus religiösen Motiven als Körperverletzung gewertet. Bei Muslimen sowie bei Juden, die ihre Söhne als Aufnahmeritus am achten Tag nach der Geburt beschneiden lassen, sorgte die Entscheidung für Empörung. Nach einer erhitzten Debatte zwischen den Religionsgemeinschaften und Beschneidungsgegnern, zu denen unter anderem Kinderärzte gehören, forderte der Bundestag die Bundesregierung auf, ein Gesetz zur Erlaubnis des Rituals zu schaffen.



Besondere Praxis von Juden berücksichtigt

Der Entwurf aus den Bundesjustizministerium macht die religiöse Motivation ausdrücklich nicht zur Bedingung. Trotzdem wird die besondere Praxis von Juden, die den Eingriff oftmals von einem Beschneider (Mohel) vornehmen lassen, berücksichtigt. In den ersten sechs Monaten nach der Geburt kann dem Entwurf zufolge auch weiterhin eine Person, die nicht Arzt ist, beschneiden, solange dies fachgerecht geschieht.



Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte den Bundestag auf, jetzt zügig über die Regelung zu beraten. Die Ministerin erklärte in Berlin, der Beschluss der Bundesregierung trage dazu bei, "dass wieder mehr Rechtssicherheit eintreten wird". Juden und Muslime waren verunsichert, nachdem das Kölner Landgericht die religiöse Beschneidung als Körperverletzung gewertet hatte. Das Beschneidungsgesetz stelle klar, "dass wir die Ausübung der Religionen wollen", sagte Leutheusser-Schnarrenberger. In Deutschland werde Leben für Juden und Muslime möglich sein.



Vertreter von Juden und Muslimen in Deutschland begrüßten die Gesetzespläne. "Das ist ein ausgesprochen lebenskluger, ausgewogener und fairer Gesetzentwurf" sagte der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Mittwochausgabe). "Hier wieder Rechtssicherheit zu schaffen, bedeutet Aufrechterhaltung der Religionsfreiheit und damit auch Rechtsfrieden in unserem Land", sagte der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime, Aiman Mazyek, der Zeitung.



Kritik an dieser Regelung kommt vom Mainzer Medizinethiker Ilhan Ilkilic. Der Passus scheine ihm allein für Juden gemacht, sagte Ilkilic dem epd. Bei Muslimen würden die Jungen meist erst später beschnitten. Für sie bedeute dies also einen Nachteil. Es sei extra betont worden, dass es keine Sonderregelungen für religiös motivierte Beschneidungen geben soll. Nun werde aber eine Gruppe bevorzugt. Dies sei ein Doppelstandard. Ilkilic sprach sich dafür aus, ausschließlich Ärzten den Eingriff zu erlauben.



Die Hilfsorganisation "Terres des femmes", die Deutsche Kinderhilfe und der Verein "Mogis" für Missbrauchsopfer kritisierten den Beschluss mit Verweis auf die Kinderrechte. Sie protestieren auch gegen das hohe Tempo der Gesetzgebung. Die Bundesregierung versuche, eine gesellschaftlich wichtige Debatte schnell zu beenden, erklärte "Terre des femmes"- Vorstandsvorsitzende Irmingard Schewe-Gerigk.



Kardinal Meisner hatte Kölner Urteil scharf kritisiert

Der Zentralrat der Juden in Deutschland sprach nach dem Urteil des Kölner Landgerichtes von einem "beispiellosen und dramatischen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften". Diese scharfe Kritik sei berechtigt, kommentierte der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner in einer Stellungnahme. Das Urteil konstruiere eine "Schutzpflicht des Staates gegenüber einer Elternentscheidung, die für jüdische Eltern eine biblisch begründete Elternpflicht ist und für muslimische Eltern in einer verpflichtenden religiösen Tradition gründet".



"Derartigen Tendenzen, die Religionsfreiheit und damit das religiöse Erziehungsrecht von Eltern in Deutschland einzuschränken, ist entschieden entgegenzutreten", so Meisner weiter. "Wir Christen erwarten gemeinsam mit Juden und Muslimen, dass höherrangige Gerichte diesen Eingriff in die Religionsfreiheit zurücknehmen."