Misereor-Bischof Thissen fordert Fleischverzicht

Auf Kosten anderer

Misereor-Bischof Werner Thissen hat die Deutschen aufgefordert, weniger Fleisch zu essen "Wir müssen uns bewusst werden, dass unser Konsumverhalten auf Kosten anderer Menschen und unserer Umwelt geht", meint Hamburgs Erzbischof.

 (DR)

Die Massenproduktion von Schweinefleisch zu Billigpreisen habe dramatische Auswirkungen für Menschen auf der Südhalbkugel. Die Aufzucht von Schweinen basiere auf importiertem Soja. "Die Flächen, die wir im Süden für den Sojaanbau nutzen, führen zur Verdrängung bäuerlicher Familienbetriebe." Thissen ist zuständig für das katholische Hilfswerk Misereor mit Sitz in Aachen.



Über 100 Kilogramm Fleisch pro Kopf

Weltweit steige der Fleischkonsum rapide, beklagte Thissen. Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation (FAO) werde er sich bis 2050 verdoppeln. Mit jährlich über 100 Kilogramm pro Kopf werde das meiste Fleisch in den Industrieländern gegessen. Deutschland sei mit 59 Millionen Schweinen weltweit der drittgrößte Produzent von Schweinefleisch. Für die Sojaimporte nehme die EU-Landwirtschaft im Süden der Erde dreimal soviel Ackerfläche in Beschlag wie ihr in Deutschland insgesamt zur Verfügung stehe.



"Wenn wir bewusst ein oder zweimal die Woche auf Fleisch verzichten und uns nach Möglichkeit mit regional produzierten Produkten versorgen, unterstützen wir hier bei uns eine bäuerliche, nachhaltige Landwirtschaft", rät der Erzbischof mit Blick auf den bevorstehenden Welternährungstag am 16. Oktober. "Gleichzeitig tragen wir dazu bei, dass die Hungernden in der Welt eine größere Überlebenschance bekommen."



Jeder achte Mensch hungert

Denn der Kampf gegen den Hunger ist noch lange nicht gewonnen. Weltweit haben 870 Millionen Menschen nicht genug zu Essen, wie aus dem am Dienstag in Rom vorgestellten Welthungerbericht der Vereinten Nationen hervorgeht. In Afrika steigt die Zahl der Unterernährten sogar.



Jeder achte Mensch auf der Welt leidet Hunger, wie aus dem Welthungerbericht hervorgeht, den die FAO am Dienstag in Rom vorstellte. Seit 2007 sinke die Zahl der Hungernden nicht mehr, beklagte FAO-Generaldirektor José Graziano da Silva. Das sei inakzeptabel.



FAO: Kampf gegen Hunger in Afrika droht zu scheitern

In vielen afrikanischen Ländern nehme der Hunger sogar wieder zu. "Wir sind dabei, den Kampf in Afrika zu verlieren", warnte Graziano. Anhaltende Hungerkrisen im Nahen Osten und in Nordafrika demonstrieren laut FAO-Generaldirektor den engen Zusammenhang zwischen Konflikten und Ernährungssicherheit. Die FAO fordert die Entwicklungsländer auf, die Armen stärker am Wirtschaftswachstum teilhaben zu lassen.



Dem Bericht zufolge wirkte sich der Anstieg der Lebensmittelpreise weltweit kaum auf den Hunger aus. Den Angaben zufolge sind in Asien 563 Millionen Menschen unterernährt, in Afrika südlich der Sahara 234 Millionen. In Lateinamerika hungern schätzungsweise 49 Millionen, im Nahen Osten und in Nordafrika 25 Millionen. Selbst in Industriestaaten fehlt es demnach 16 Millionen Menschen an Lebensmitteln.



Finanzkrise zeigt weniger Folgen als gedacht

Der Studie zufolge sank die Zahl der Hungernden weltweit bis zum Beginn der weltweiten Finanzkrise 2007 stärker als bislang angenommen. Die Krise habe sich überdies weniger als befürchtet auf die Entwicklungsländer ausgewirkt, resümieren die FAO-Experten. Zwischen 1990-1992 und 2007-2009 verringerte sich die Zahl der unterernährten Menschen in Entwicklungsländern - ohne die Industrienationen - von einer Milliarde auf rund 850 Millionen. Seither blieb sie fast unverändert.



In vielen Entwicklungsländern bleibt der Hunger, auch wenn die Wirtschaft wächst. "Arme Menschen haben nicht ausreichend teil am Wirtschaftswachstum", beklagen die Autoren des Berichts. Dies sei vielfach auf mangelnden Zugang zu Wasser, Land und Krediten zurückzuführen. Die Regierungen der Entwicklungsländer müssten daher verstärkt in Landwirtschaft, Bildung und Gesundheit investieren. Eine Verbesserung der Lage von Kleinbauern trage erheblich zur Bekämpfung von Hunger bei.



Die Entwicklung der Landwirtschaft habe den stärksten Effekt bei der Bekämpfung des Hungers, erklärte der UN-Agrarfonds IFAD. Er rief zu mehr private Investitionen in die Landwirtschaft auf. Das Dilemma, hohe Agrarpreise und zugleich Zugang für Arme zu Lebensmitteln zu garantieren, müsse durch staatliche Sicherheitsnetze gelöst werden.



Zusammen mit dem UN-Welternährungsprogramm fordert die FAO auch eine stärkere Beteiligung von Frauen am Wirtschaftswachstum: "Wenn Frauen mehr Kontrolle über das Einkommen der Haushalte erhalten, wird tendenziell mehr Geld für die Verbesserung von Ernährung und Gesundheit ausgegeben."