Moraltheologe zu Steinbrücks Nebeneinkünften

"Da braucht man mehr Transparenz"

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück wehrt sich erneut gegen Vorwürfe wegen seiner Nebeneinkünfte. Er könne nichts "Ehrenrühriges" daran finden, dass er von Unternehmen, Banken, Versicherungen und Anwaltskanzleien, die gewinnorientiert seien, für eine erbrachte Leistung ein Honorar genommen habe. Dr. Joachim Wiemeyer, Professor am Lehrstuhl für Christliche Gesellschaftslehre der Ruhr Universität Bochum, sieht das etwas anders.

 (DR)

domradio.de: Wie stehen Sie als Christ zu dem Dilemma? Darf er das jetzt alles nicht mehr?

Wiemeyer: Ich bin der Auffassung, dass Abgeordnete relativ gute Diäten erhalten und dass es zwar für sie möglich sein muss, Nebentätigkeiten zu machen, aber es ist ja so, dass dies keine Nebentätigkeit war, sondern das zig-fache seiner Abgeordneten-Diäten dort bei Herrn Steinbrück kassiert wurde, sodass das hier also keine richtigen Nebentätigkeiten sind.



domradio.de: Wir reden hier über erhebliche Summen: 70 Vorträge mit einem Honorar von jeweils mehr als 7.000 Euro. Was glauben Sie: Kann man da überhaupt noch objektiv Politik betreiben, wenn er damit jetzt weitermachen würde?

Wiemeyer: Das Problem ist eben, dass ein Abgeordneter natürlich die Politik erläutern muss. Er reist ja rum und hält öffentliche Vorträge, aber das gehört eigentlich zu seinen Aufgaben als Abgeordneter und in vielen Fällen wird ja erwartet, dass ein Abgeordneter die Politik vor Wählern auch ohne Honorar entsprechend rechtfertigt. Und insofern ist es natürlich problematisch, wenn man also gerade vor Kreisen redet, wo also gute Honorare gezahlt werden können. Man kann dies aber nicht allein Herrn Steinbrück anlasten, sondern viele Politiker haben eben solche Richtlinien beschlossen und jetzt steht auch die Frage an, ob diese Richtlinien nicht geändert werden solle.



domradio.de: In welche Richtung sollten sie geändert werden?

Wiemeyer: Wir müssen einmal haben, dass es mehr Transparenz gibt. Wir wissen jetzt nur, dass Herr Steinbrück über 7000 Euro für einen Vortrag erhalten hat, aber wir wissen nicht, ob es 10000, 20000 oder 30000 Euro waren. Also da braucht man mehr Transparenz. Es ist erwünscht, dass Abgeordete nicht völlig von einem Beruf sich abkehren, weil das Abgeordenten-Mandat nur auf Zeit ist. Wenn sie Nebentätigkeiten machen, sollten das aber richtige Nebentätigkeiten sein, das heißt, sie können nur zeitlich begrenzt neben einem Abgeordneten-Mandat sein und sie dürfen eigentlich da nicht ein Vielfaches von Abgeordnetendiäten ausmachen in ihrer ganzen Honorierung.



domradio.de: Peer Steinbrück wehrt sich dagegen jetzt: Er sagt, wenn er alle seine Einkünfte offen legen würde, dann automatisch auch die seiner Frau. Ist das nicht auch seine Privatsache?

Wiemeyer: Gut, er könnte ja auch seine Nebentätigkeiten offen legen, ohne dass er jetzt die Angaben macht, wie es bei seiner Frau aussieht. Die Forderung bezieht sich ja jetzt auf den Steuerbescheid , wo in der Tat die Frau einbezogen ist., aber er könnte ja trotzdem die Honorarhöhe offenlegen freiwillig. Das wäre also tatsächlich möglich.



domradio.de: Also Sie glauben, damit wäre er gut beraten?

Wiemeyer: Ja, Sie sehen ja auch in den USA die Diskussion um den Präsidentschaftskandidaten Romney, der ja auch immer mehr gedrängt wird, seine Einkommen offenzulegen. Das ist in anderen Demokratien ja auch üblich, dass solche Einkommen offengelegt werden.



domradio.de: Steinbrück selbst sagt: Seinen Kritikern ginge es vielleicht nur darum, seine persönliche Glaubwürdigkeit zu beschädigen. Könnten Sie sich das auch vorstellen, dass das eine Hetzkampagne ist?

Wiemeyer: Nein. Das ist, glaube ich, keine Hetzkampagne, sondern es gibt gerade nach der Finanzkrise natürlich berechtigte Fragen im Verhältnis von Wirtschaft und Politik. Das ist eine grundsätzliche sozialethische Problematik. Wir brauchen Politiker, die die Rahmenbedingungen der Wirtschaft gestalten können und dafür brauchen wir auch eine gewisse Unabhängigkeit von der Politik und brauchen auch keine zu enge Verquickung. Und deswegen ist das schon eine grundsätzliche Frage und darauf weist ja Transparancy International berechtigterweise hin.



Das Interview führte Verena Tröster.



Hintergrund

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück wehrt sich erneut gegen Vorwürfe wegen seiner Nebeneinkünfte. "Ich habe kein schlechtes Gewissen", sagte Steinbrück am Samstag im Deutschlandfunk. Er könne nichts "Ehrenrühriges" daran finden, dass er von Unternehmen, Banken, Versicherungen und Anwaltskanzleien, die gewinnorientiert seien, für eine erbrachte Leistung ein Honorar genommen habe. Bei Schulen, Vereinen und ehrenamtlichen Institutionen habe er hingegen keine Bezahlungen für seine Redeauftritte verlangt.



Zudem betonte der SPD-Politiker, seine Nebeneinkünfte beim Bundestag "lupenrein" angezeigt zu haben. "Das wissen übrigens die, die das heute aufmischen, seit zwei oder drei Jahren", sagte er. Vorwürfe aus der CSU, er sei ein Liebling der Spekulanten, wies Steinbrück als "absurd" zurück.



Steinbrück sagte weiter, er habe schon vor der Ankündigung seiner Kanzlerkandidatur gesagt, dass jeder Kandidat "an der Wand entlang gezogen wird, zersägt wird, auseinandergenommen wird, dass jeder Stein umgedreht wird, um zu sehen, ob darunter Getier ist, und dass ihm jedes Kaugummi unter die Fußsohle geklebt werden soll." Er fügte hinzu: "Es ist sehr durchsichtig, dass dies einige jetzt versuchen zu tun." (dapd)