Im Vatikan hat das Verfahren gegen Paolo Gabriele begonnen

Kurzer Prozess?

Im Vatikan hat der Prozess gegen den früheren päpstlichen Kammerdiener Paolo Gabriele begonnen. Am ersten Verhandlungstag wurden acht Zeugen aufgerufen, unter ihnen der Privatsekretär von Papst Benedikt XVI., Prälat Georg Gänswein. Lange wird das Verfahren wohl nicht dauern.

Autor/in:
Thomas Jansen
 (DR)

Das war nicht der Paolo Gabriele von früher, der souverän wirkende päpstliche Kammerdiener, der im Papamobil vor Benedikt XVI. saß: Der Paolo Gabriele, der am Samstag im Gerichtssaal des vatikanischen Tribunals erschien, wirkte blass, aufgedunsen, ja beinahe niedergeschlagen. Diesen Eindruck vermittelten zumindest die einzigen Bilder, die kurz vor der Eröffnung des wohl seit Jahrzehnten spektakulärsten Prozesses im Vatikan gemacht wurden. Vier Monate nach seiner Verhaftung und sechs Wochen nach der offiziellen Anklage wegen schweren Diebstahls muss sich der frühere päpstliche Kammerdiener nun im Schatten des Petersdoms vor Gericht verantworten. Ihm drohen bis zu vier Jahre Haft.



Wer allerdings auf neue Erkenntnisse in der "Vatileaks"-Affäre gehofft hatte, wurde enttäuscht. Die entscheidende, immer noch ungeklärte Frage wurde in der ersten Sitzung nicht einmal berührt: Warum das alles? Was bringt einen Mann, der seinen sozialen Aufstieg allein dem Papst verdankt, dazu, seine Existenz aufs Spiel zu setzen und vertrauliche Dokumente zu stehlen? Die mehr als zweistündige Sitzung erschöpfte sich stattdessen im üblichen juristischen Vorgeplänkel. Anträge, Einsprüche, Organisatorisches. Gabrieles Verteidigerin Cristiana Arru etwa stellte den Antrag, das Gericht für unzuständig zu erklären. Ihre Argumentation: Der Fall berühre das "päpstliche Geheimnis" und müsse daher nach kirchlichem Recht verhandelt werden. Die Richter lehnten ihr Ansinnen jedoch ab; es gehe hier um weltliches Recht. Ebenso erging es ihrem Antrag, das in Gabrieles Wohnung sichergestellte mutmaßliche Goldstück auf Fingerabdrücke untersuchen zu lassen. Es sei schon durch zu viele Hände gegangen, so das Gericht.



Gänswein unter den Zeugen

Immerhin gab es eine erste Aussage zur möglichen Dauer des Prozesses. Der Präsident des Tribunals, Giuseppe Dalla Torre, deutete an, dass schon vier weitere Sitzungen ausreichen könnten und diese durchaus innerhalb der kommenden Woche zu bewerkstelligen seien. Als Termin für die nächste Sitzung legte das Gericht den kommenden Dienstag fest.



Mit bahnbrechenden neuen Erkenntnissen über etwaige Hintermänner an der römischen Kurie dürfte auch dann nicht zu rechnen sein. Dies jedenfalls lässt die Liste der acht Zeugen vermuten. Sechs von ihnen sind Angehörige der vatikanischen Gendarmerie. Hinzu kommen der päpstliche Privatsekretär Georg Gänswein sowie Cristina Cernetti, eine der vier Schwestern der geistlichen Gemeinschaft "Memores Domini", die den päpstlichen Haushalt führen. Dass Gänswein in dem öffentlichen Prozess etwas sagt, was er nicht zuvor schon im Rahmen der nichtöffentlichen Voruntersuchung zu Protokoll gegeben hat, ist unwahrscheinlich. Wann er als Zeuge geladen wird, ist noch nicht bekannt. Und die Haushälterin dürfte sich in ihren Aussagen hauptsächlich auf die Person Gabrieles beschränken.



Angespannter Angeklagter

Das vermutlich interessanteste Dokument über die Vatileaks-"Affäre" darf für das Verfahren nicht herangezogen werden: der unveröffentlichte Bericht der Kardinalskommission, die der Papst mit eigenen Ermittlungen an der römischen Kurie betraut hatte. Gleiches gilt für die von den drei Kardinälen vernommenen Zeugen. Der Grund ist prinzipieller Natur: Hier handelt es sich um kircheninterne Untersuchungen, die allein für den Papst bestimmt sind. Angesichts dieser Ausgangslage scheint Manches dafür zu sprechen, dass das Gericht der Behauptung Gabrieles, ein Einzeltäter gewesen zu sein, Glauben schenken könnte. Der Fall des zweiten Angeklagten, des Informatikers Claudio Sciarpelletti aus dem vatikanischen Staatssekretariat, soll nach dem Willen der Richter ohnehin in einem eigenen Prozess behandelt werden. Er wird der Beihilfe zum Diebstahl beschuldigt.



Und Gabriele selbst? Er soll im Verlauf der Sitzung einen immer noch angespannten, aber gefassten Eindruck gemacht haben. So berichten es die acht Journalisten, die als Beobachter zugelassen waren. Das Lachen scheint ihm zumindest noch nicht ganz vergangen zu sein: In der Pause wurde Gabriele scherzend mit seiner Anwältin gesehen.