Der Kammerdiener sagt im "Vatileaks"-Prozess aus

"Ich habe den Papst verraten"

In der zweiten Sitzung des Prozesses gegen Paolo Gabriele hat das vatikanische Gericht erstmals den Angeklagten selbst vernommen. Der ehemalige päpstliche Kammerdiener gestand ein, vertrauliche Dokumente entwendet zu haben. Zugleich bekräftigte er, keine Komplizen gehabt zu haben.

 (DR)

"Im Sinne der Anklage erkläre ich mich für unschuldig." In dieser überraschenden Wendung gipfelte am Dienstag der Auftritt des ehemaligen päpstlichen Kammerdieners Paolo Gabriele vor Gericht. Zwar rückte der 46 Jahre alte Italiener am zweiten Prozesstag nicht von seinem Geständnis ab, das er schon in früheren Vernehmungen abgelegt hatte. Ja, er habe vertrauliche Dokumente des Papstes heimlich kopiert und weitergegeben. Nur: Als "schweren Diebstahl" wollte er das nicht gewertet wissen. Als Motiv für seine Tat nannte Gabriele Unbehagen über die Zustände an der Kurie. Das Schuldbekenntnis, das er abgab, überstieg alle rechtlichen Begriffe: "Ich fühle mich schuldig, das Vertrauen des Heiligen Vaters in mich verraten zu haben, den ich wie ein Sohn liebe."



Und etwaige Komplizen? Die gab es nach Gabrieles Worten nicht. Das hatte er schon dem Untersuchungsrichter gesagt. In einem anonym geführten TV-Interview hatte er im Februar hingegen von 20 Gesinnungsgenossen gesprochen. Und so ließ der vatikanische Staatsanwalt Nicola Picardi nicht so schnell locker, wie Prozessbeobachter berichten. Gabriele habe in ersten Vernehmungen doch angegeben, von seinem Umfeld beeinflusst worden zu sein. Zudem habe er von Kontakten mit den Kardinälen Angelo Comastri, Paolo Sardi sowie mit der früheren Haushälterin des Papstes, Ingrid Stampa, und einem weiteren Monsignore berichtet. Ob er von diesen Personen beeinflusst worden sei oder ob es etwa eine Zusammenarbeit gegeben habe, möchte Picardi wissen. Gabriele verwahrt sich gegen eine solche Annahme. Von einer "Beeinflussung" könne in diesen Fällen nicht die Rede sein und schon gar nicht von einer Zusammenarbeit.



Auch bislang unbekannte Details über sein Vorgehen gab Gabriele preis. So fertigte er die Kopien nicht etwa bei Nacht und Nebel in einem verschwiegenen Winkel an, sondern in seinem eigenen Büro: im Apostolischen Palast in unmittelbarer Nachbarschaft der päpstlichen Gemächer. Bisweilen seien sogar andere Personen im Raum gewesen. Verdacht schöpfte offenbar niemand: Es habe "außerhalb ihrer Vorstellungskraft" gelegen, dass Gabriele so etwas tue, sagte Cristina Cernetti am Dienstag vor Gericht. Sie gehört zu den vier Schwestern der geistlichen Gemeinschaft "Memores Domini", die den päpstlichen Haushalt führen.



Und auch der päpstliche Privatsekretär Georg Gänswein gab an, keinerlei Verdacht gegen Gabriele gehegt zu haben. Er habe keine Dokumente vermisst. Auf die Schliche gekommen sei er Gabriele erst am 21. Mai, nachdem er das Buch "Sua Santita" von Gianluigi Nuzzi gelesen hatte. Darin hatte der italienische Journalist vertrauliche Dokumente veröffentlicht, die ihm Gabriele übergeben hatte. Es war jedoch nach Gänsweins Angaben nicht ein Dokument der Joseph-Ratzinger-Stiftung, wie es bislang geheißen hatte, das ihn Verdacht schöpfen ließ, sondern drei andere Schreiben.



Erschwerte Haftbedingungen

Materielle Motive für seine Tat bestritt Gabriele: Den auf den Namen des Papstes ausgestellten Scheck über 100.000 Euro sowie das mutmaßliche Goldstück, das die vatikanische Gendarmerie in seiner Wohnung sichergestellt hatte, habe er nicht gestohlen. Dass er die ebenfalls gefundene kostbare italienische Textausgabe von Vergils "Aeneas" mit nach Hause genommen hat, bestätigte er hingegen. Er habe sie für seine Kinder mitgebracht; ihr Wert sei ihm nicht bewusst gewesen.



Überraschend waren auch die Details, die am zweiten Prozesstag über die Haftbedingungen Gabrieles bekanntwurden. Der Angeklagte berichtete, dass er nach seiner Verhaftung im Mai zunächst in eine Zelle gekommen sei, in der er nicht einmal die Arme habe ausstrecken können. Zudem sei der Raum in den ersten 15 bis 20 Tagen ununterbrochen beleuchtet gewesen.



Der vatikanische Staatsanwalt hat nun auf Antrag des Gerichtspräsidenten eine Untersuchung eingeleitet. Die vatikanische Gendarmerie teilte mit, die Beleuchtung habe lediglich verhindern sollen, dass sich der Häftling selbst Verletzungen zufüge. Zudem habe Gabriele selbst darum gebeten, das Licht in den ersten Nächten nicht auszuschalten, damit er sich nicht so allein fühle.




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