Ethikrat diskutiert über Legitimation der Sterbehilfe

Alternativen anbieten

Der Ethikrat hat in Berlin mit Experten aus Medizin und Recht kontrovers über Suizidbeihilfe diskutiert. Während Ärztepräsident Montgomery dabei dem ärztlich assistierten Suizid eine Absage erteilte, warb die Organisation "Exit" für eine Erlaubnis der Sterbehilfe. Im domradio.de-Interview hatte Weihbischof Losinger sich bereits für ein Verbot ausgesprochen.

 (DR)

In der öffentlichen Sitzung des Ethikrats in Berlin verwies Montgomery auf die "Missbrauchs- und Dammbruchgefahr", wenn Suizidbeihilfe durch Ärzte in Ausnahmen legitim sein soll. "Der ärztlich assistierte Suizid ist abzulehnen und berufsrechtlich zu missbilligen", sagte der Präsident der Bundesärztekammer.



Hintergrund seiner Befürchtungen ist ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Verbot gewerbsmäßiger Sterbehilfe. In dem Text aus dem Justizministerium wird neben der Festlegung einer Strafe für Sterbehilfe, mit der Organisationen Geld verdienen, ausdrücklich festgestellt, dass Suizidbeihilfe von Angehörigen, Freunden oder anderen "nahe stehenden Personen" nicht geahndet wird. Dieser Absatz sorgte für Kritik von Kirchenvertretern, Patientenschützern, Ärzten und Unionspolitikern, weil nach Auffassung des Ministeriums auch Mediziner oder Pflegekräfte darunter fallen können.



Die Züricher Rechtsprofessorin Brigitte Tag warb dafür, den Personenkreis, der von Strafe ausgenommen werden soll, genauer zu bestimmen. Für den Fall der Zulassung von Sterbehilfe forderte sie zudem gesetzlich festgelegte Qualitätsanforderungen. In diesem wichtigen Bereich menschlichen Lebens würden Regeln dringend gebraucht, sagte sie unter anderem mit Blick auf die Sterbehilfeorganisation "Exit" in der Schweiz.



Deren Vorstandsmitglied Marion Schafroth verteidigte die umstrittene Organisation vor dem Ethikrat. Suizidhilfe könne ethisch gerechtfertigt sein, so Schafroth. Als Mensch und gerade als Ärztin bestehe ihr Auftrag darin, zu helfen und Leid zu lindern. Manchmal könne Sterbehilfe der größte Dienst für den Menschen sein.



Kirche gegen ärztlich assistierten Suizid

Dieser Ansicht hatte Weihbischof Anton Losinger, der die katholische Kirche im Ethikrat vertritt deutlich widersprochen. "Wir sind vehement gegen den ärtzlich assistierten Suizid. Es kann nicht sein, dass der Arzt, der Heiler im Krankenhaus ist sozusagen zum Vollstrecker degeneriert", so der Augsburger Weihbischof am Mittwoch gegenüber domradio.de. Vom Augenblick der Geburt an bis hin zu einem friedlichen Tod sei das menschliche Leben heilig. Insofern sei es einem Menschen nicht gegeben, über das Lebensende eines anderen Menschen aktiv zu entscheiden bzw. daran mitzuwirken, betonte Losinger am Mittwoch in Fulda.





Der Vorsitzende des Nationalen Suizidpräventionsprogramms, Armin Schmidtke, warb in Berlin dafür, die Möglichkeiten der Palliativmedizin auszunutzen. Eine adäquate Schmerzreduzierung bei schwer Erkrankten senke das Risiko von Suiziden, sagte er.



Unter den Mitgliedern des Ethikrats zeichnete sich zunächst keine einheitliche Meinung ab. Der evangelische Altbischof Wolfgang Huber, der sich bereits früher gegen eine Ausweitung der Sterbehilfe ausgesprochen hatte, forderte die Ärzteschaft dazu auf, dem Sterbewunsch durch eigenes Handeln entgegenzutreten. Anstatt zu sagen, was nicht zum ärztlichen Handeln gehöre, sollten Mediziner das Positive sagen, was beim Umgang mit Sterbenden dazugehört und so Vertrauen gewinnen, sagte der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).



Die Vorsitzende des Ethikrats, Christiane Woopen, warnte davor, bei der Akzeptanz von Sterbehilfeorganisationen falsche Anreize zu setzen. Es müsse hinterfragt werden, ob Organisationen, die auf die Realisierung von Sterbehilfe abzielen, überhaupt ein Interesse an einer lebensbejahenden Beratung haben und so etwas anbieten.



Gegen die strikte Ablehnung der Sterbehilfe durch Ärzte sprach sich dagegen der Verfassungsrechtler Reinhard Merkel aus. Ärzte seien auch mit Situationen konfrontiert, bei denen nicht nur die Lebenserhaltung im Vordergrund stehe, sondern die Hilfe. "Ich bin der Meinung, dass die Hilfe manchmal im human realisierten Suizid besteht", sagte er. Dies von vornherein auszuschließen, sei "ethisch nicht akzeptabel".