Ein Jahr nach dem Deutschlandbesuch Benedikts XVI.

"Entweltlichung" nicht falsch verstehen

Der gerade erst vom Papst zum Berater der bevorstehenden Bischofsynode über die Neuevangelisierung im Vatikan berufene Theologe Thomas Söding hat die bleibende Bedeutung der Freiburger Konzerthausrede Benedikts XVI. vor einem Jahr unterstrichen. Das Plädoyer für eine "Entweltlichung" der Kirche sei nicht als Absage an das deutsche Modell des Staatskirchenrechts zu verstehen.

 (DR)

Vielmehr handle es sich um ein "theologisches Votum", zwischen den Angelegenheiten des Staates und der Kirche klar zu unterscheiden, sagte der Neutestamentler am Montag bei einer Expertentagung in München. Es gehe nicht um einen Rückzug der Kirche aus der Welt, sondern um eine bestimmte Qualität ihrer Hinwendung zur Welt.



In der Botschaft Jesu sei der Kaiser kein Gott, sondern stehe unter diesem, erläuterte Söding. Deshalb gebe es keine sakrosankte Herrschaft. Gott werde auch durch keinen politischen Machthaber repräsentiert. In dieser prophetischen Tradition habe die Kirche die Aufgabe, Mythisierungen in der Politik zu entlarven. Andererseits müsse sie politischen Klerikalismus in den eigenen Reihen bekämpfen und zugleich das politische Engagement von Gläubigen fördern.



Die Kirche könne keinen anderen politischen Einfluss haben wollen als den durch Überzeugung und Vorbild, sagte der Theologe. Deswegen profitierte sie von Aufklärung und Demokratie am meisten, auch wenn es gerade in der katholischen Kirche dagegen lange Zeit starke Widerstände gegeben habe. Sie brauche politische Koalitionspartner, auch solche, die nicht ihre theologischen Voraussetzungen teilen. Vor allem aber müsse die Kirche an ihrer eigenen Glaubwürdigkeit arbeiten, "die sich auf dem Gebiet der Ethik entscheidet".



Söding äußerte sich bei einer vom Landeskomitee der Katholiken in Bayern mit der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung ausgerichteten Fachtagung ein Jahr nach dem Deutschlandbesuch des Papstes.