Der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz zum neuen Kirchenaustritts-Dekret

"Die aktiven Rechte gelten dann nicht mehr"

Es ist für einige Katholiken verlockend: Durch Austritt aus der Kirche die Kirchensteuer sparen und dennoch weiterhin am Gemeindeleben teilnehmen. Durch ein neues Dekret der deutschen Bischöfe wird einem solchen Verhalten nun ein Riegel vorgeschoben. Im domradio.de-Interview macht Pater Hans Langendörfer SJ, Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, klar: "Wer A sagt, muss auch B sagen" - und am besten gar nicht erst A sagen.

 (DR)

domradio.de: Seit heute gibt es ein neues Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt. Wie ist es dazu gekommen?

P. Langendörfer: Wir mussten ja auch hier in Deutschland und für die deutsche Kirche einmal festlegen, was eigentlich passiert, wenn jemand zivil aus der Kirche austritt. Das ist in Deutschland möglich, weil man ja positiv sagen kann: Ich bin katholisch und dann muss man im öffentlichen Raum auch öffentlich sagen können: Ich bin nicht mehr katholisch. Das ist dann der zivile Kirchenaustritt. Und die Kirche steht vor der Frage, was passiert denn, wenn einer beim Amtsgericht oder beim Meldeamt seinen Austritt erklärt. Und auf diese Frage geht das Dekret jetzt ein.



domradio.de: Das Dekret kommt von der Deutschen Bischofskonferenz. Es wird also von den deutschen Bischöfe in Kraft gesetzt. Ab Montag wird es gelten. Es ist aber mit Rom abgestimmt?

P. Langendörfer: Ja, natürlich. Die Deutsche Bischofskonferenz ist hier, wenn man so will, der Gesetzgeber dieses Dekretes, aber sie kann nur als Gesetzgeber tätig werden, wenn dies in Übereinstimmung mit den Autoritäten in Rom geschieht. Konkret ist da die sogenannte Bischofskongregation zuständig, die sich um Bischöfe und Bischofskonferenzen zu kümmern hat. Die muss dieses O.K. geben, und dieses ist erfolgt. Insofern ist dieses Dekret eine Gesetzgebung der deutschen Bischöfe, für die Deutsche Bischofskonferenz in voller und ungeteilter, unbezweifelbarer Einigkeit und Unterstützung durch Rom.



domradio.de: Was bedeutet das Dekret ganz konkret? Gibt es Veränderungen im Bezug zum Status davor, wo es ja eigentlich immer so war, dass man gesagt hat: Wenn einer aus der Kirche ausgetreten ist in Deutschland, ist er eigentlich exkommuniziert.

P. Langendörfer: Erstmal ist das Dekret eine Erklärung. Nämlich: Wer aus der Kirche austritt, tritt aus der Kirche aus. Es ist Quatsch anzunehmen, man könne nur aus der Organisation Kirche austreten und trotzdem katholisch bleiben. Dieses, und das sagt das Dekret, geht katholisch so nicht. Man tritt ganz aus. Das war bisher auch unsere Position, die jetzt auch noch einmal entsprechend fixiert und festgeschrieben worden ist. Im Unterschied zu dem, was bisher der Fall gewesen ist, wird in Zukunft der jeweils zuständige Pfarrer noch einmal auf den Ausgetretenen zugehen und er muss dieses auch tun. Wir haben uns in dem Dekret und in den Begleittexten festgelegt, die deutschen Bischöfe haben sich festgelegt, dass sie auf die Austretenden zugehen.



Es ist also mehr als nur ein staatliches Handeln einer Meldebehörde, es ist auch ein kirchliches Handeln, was an diesem ganzen Geschehen beteiligt ist. Wenn man austritt vor der Meldebehörde, dann zieht man gewisse Folgen auf sich. Wir reden nicht von Exkommunikation im strafrechtlichen Sinn der Kirche, sondern wir reden von Folgen, die gleichwohl in der Sache selbst weitestgehend identisch sind mit den bisherigen Folgen. Aber, und das ist mir wichtig zu sagen, das ist keine Strafe, sondern wir stellen fest: Derjenige, der aus der Kirche austritt, begibt sich durch diesen Austritt außerhalb der aktiven Mitgliedsrechte in der katholischen Kirche. Das ist wie überall, wo man austritt. Man kann dann eben nicht mehr wie ein Mitglied zum Beispiel, was man vielleicht lange gerne getan, die heilige Kommunion empfangen oder ein kirchliches Begräbnis für sich erwarten, wozu dann im Einzelnen noch mal viel zu sagen sein wird, oder Pate oder Patin werden. Die Folgen eines Kirchenaustritts sind: Diese aktiven Rechte gelten nicht mehr.



domradio.de: Das betrifft die aktiven Rechte. Dann setzt sozusagen die kirchliche Autorität noch mal ein. Das wird in der Regel der Pfarrer vor Ort sein, der noch mal den Kontakt zu demjenigen sucht, der aus der Kirche ausgetreten ist, der das erklärt hat gegenüber dem Staat. Wie wird das aussehen? Wird das in schriftlicher Form erfolgen? Was steht dann in so einem Brief?

P. Langendörfer: Genau. Derjenige, der ausgetreten ist, bekommt von seinem Pfarrer einen Brief. Er wird eingeladen zu einem Gespräch. Der Pfarrer sagt, er sei daran interessiert, weil er zum einen natürlich die Motivation besser verstehen möchte dessen, der ausgetreten ist. Er möchte auch den Ausgetretenen darauf aufmerksam machen, was das denn nun für ihn bedeutet. Aus der Sicht der katholischen Kirche ist er nicht mehr katholisch und es sind damit auch Folgen verbunden - ich erwähnte sie bereits - die im Einzelfall ja auch schmerzlich sein können. Man muss dann nicht nur A sondern auch B sagen als betroffener Ausgetretener. Und der Priester oder Seelsorger ist natürlich daran interessiert, in dem Ausgetretenen im Gespräch ein Interesse zu wecken, diesen Schritt rückgängig zu machen, damit dann hinterher auch wieder eine volle Mitgliedschaft in der Kirche mit allen Rechten und Pflichten da ist.



Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen.



Hintergrund

Der Vatikan hat gemeinsam mit den deutschen katholischen Bischöfen die Konsequenzen eines Kirchenaustritts neu geregelt. Rom billigte eine kirchliche Rechtsvorschrift, wonach der vor einer staatlichen Behörde erklärte Austritt weiterhin zum Verlust der Mitgliedsrechte in der Kirche führt. Der Zugang zu Beichte und Eucharistie ist somit den Ausgetretenen wie bisher verwehrt. Sie dürfen auch nicht Taufpate werden oder kirchliche Ämter übernehmen. Allerdings ist der Austretende nicht mehr automatisch exkommuniziert.



Die neue Regelung geht aus einem am Donnerstag in Bonn veröffentlichten Dekret der Deutschen Bischofskonferenz hervor, das von den zuständigen Behörden im Vatikan gebilligt wurde. Es gilt nur für die gesamte katholische Kirche in Deutschland.



Damit ändern Rom und die Bischöfe die bislang in Deutschland praktizierte Austritts-Regelung in einigen Details. Bislang galt hierzulande, dass die Austrittserklärung gegenüber dem Staat automatisch die Kirchenstrafe der Exkommunikation auslöste. Der nun drohende Verlust der Mitgliedsrechte unterscheidet sich in den praktischen Folgen kaum von der Exkommunikation, hat aber einen anderen theologischen Stellenwert. Die neue Regelung tritt ab Montag in Kraft.



Der Vatikan verpflichtete die Kirche in Deutschland zudem dazu, jedem Ausgetretenen ein Gespräch mit dem Ziel der Wiedereingliederung in die Kirche anzubieten. Die Pfarrer müssen demnach jeden Betroffenen dazu einladen, sobald sie die Mitteilung der staatlichen Behörde über einen Austritt erhalten. Im Falle eines Gesprächs gibt es drei Möglichkeiten: Falls der Ausgetretene bei seinem Schritt verharrt, bleibt es beim Verlust der Mitgliedsrechte.



Wenn er oder sie wieder eintreten will, kommt es zur Versöhnung, die vollen Rechte werden wieder hergestellt. Falls der Betroffene aber bekundet, dass er nicht an Gott glaubt oder den Glauben der Kirche in anderen wesentlichen Punkten ablehnt, kann der zuständige Bischof das Verfahren zu einer förmlichen Exkommunikation einleiten. Ist diese Strafe verhängt, kann sie nur dann wieder aufgehoben werden, wenn der Betroffene bereut und seine Rückkehr zum Glauben der Kirche bekundet.



In den vergangenen Jahren hatte es eine intensive Debatte darüber gegeben, ob der bei den staatlichen Behörden verkündete Austritt aus der Institution Kirche auch den Austritt aus der Glaubensgemeinschaft bedeutet. Der emeritierte Freiburger Kirchenrechtler Hartmut Zapp hatte 2007 seinen Austritt aus der katholischen Kirche "als Körperschaft öffentlichen Rechts" erklärt und keine Kirchensteuern mehr gezahlt. Gleichzeitig betonte er jedoch, er verstehe sich weiterhin als gläubiges Mitglied der Kirche. Sein Fall wird am 26. September vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelt.



Auch im Vatikan gab es Stimmen, nach denen ein vor staatlicher Stelle erklärter Austritt nicht als Grund für die kirchenrechtliche Höchststrafe der Exkommunikation ausreiche. Dies sahen die deutschen Bischöfe anders. Der jetzt gefundene Weg ist ein kirchenrechtlicher Kompromiss zwischen beiden Positionen.



Mittlerweile gibt es bundesweit mindestens zwei weitere Streitfälle um einen "teilweisen Kirchenaustritt". Die meisten Staaten kennen den in Deutschland gesetzlich vorgesehenen Weg, einen Kirchenaustritt vor einer staatlichen Behörde zu erklären, nicht.



Ausdrücklich betont das neue Dekret, dass aus der Kirche ausgetretene Personen nicht zu den Sakramenten zugelassen sind und keine kirchlichen Ämter und Funktionen ausfüllen dürfen. Falls der Ausgetretene im kirchlichen Dienst steht, treten "die im kirchlichen Dienstrecht vorgesehenen Folgen" in Kraft. Bei der Frage, ob Ausgetretene kirchlich beerdigt werden dürfen, heißt es in einer weichen Formulierung, dass ein solches Begräbnis verweigert werden "kann". (KNA)