Domkapellmeister Metternich feiert Dienstjubiläum

Mit Sinn für Traditionen und die Gegenwart

Vor 25 Jahren trat Eberhard Metternich als Deutschlands jüngster Domkapellmeister seine Stelle am Kölner Dom an. Bis heute ist er verantwortlich für die geistliche Musik an der Kathedrale. Im domradio.de-Interview spricht Metternich über einen besonderen Vorsängerstab aus dem 12. Jahrhundert.

Domkapellmeister Eberhard Metternich im Einsatz (KNA)
Domkapellmeister Eberhard Metternich im Einsatz / ( KNA )

domradio.de: Sie waren 28 Jahre alt und Deutschlands jüngster Domkapellmeister. Wie kam es dazu?

Metternich: Ich bin selbst in einem Knabenchor großgeworden: in Limburg, in meiner Heimatstadt. Danach bin ich zum Studium hier nach Köln gekommen, hab allerdings nicht Kirchenmusik studiert, wie vielleicht viele vermuten, sondern Schulmusik mit dem Hauptfach Geige und dann Gesang. Und dann habe ich mich auch erst etwas anders orientiert, bis am Ende des Studiums die Chorleitung dann doch eine eindeutige Priorität bekam. Von diesem Studium aus bin ich direkt nach Mainz an den Dom als Domkantor und stellvertretender Domkapellmeister gekommen und dann suchten die Kölner einen für dieses Amt und so kam es, dass ich dann so schnell schon in "Amt und Würden" kam.



domradio.de: Schon als Junge haben Sie im Knabenchor Ihrer Heimatstadt Limburg gesungen - wann war Ihnen klar, dass Chorleitung und das Musizieren in Kirchen Ihr Berufswunsch sein wird?

Metternich: Der Berufswunsch Musiker zu werden, kam relativ früh, schon mit 14 Jahren. Im Rahmen der Ölkrise gab es damals autofreie Sonntage - auch im Advent und eine Gruppe von unseren Knaben in Limburg hatte einen Auftritt. Der Chorleiter konnte nicht kommen und hat mir das übertragen, diesen kleinen Auftritt bei einer Weihnachtsfeier zu dirigieren. Das hat mir so einen Spaß gemacht, dass ich dann schon so etwas im Kopf hatte. Dass es wieder in Richtung geistliche Musik zurückging - während des Studiums habe ich auch vieles anderes gemacht, was auch sehr aufschlussreich war - hat sich am Ende des Studiums dann so ergeben und auch in der Zeit in Mainz als Domkantor.



domradio.de: Bei Ihrem Amtsantritt gab es nur den Knabenchor. Heute singen rund 350 Mädchen und Jungen, Frauen und Männer in den diversen Chören am Dom. Warum hat Ihnen damals ein Chor nicht gereicht?

Metternich: Als ich angefangen habe, habe ich schnell gemerkt, dass das System, dass ein Chor jeden Sonntag im Dom singt, nicht mehr lange tragbar war. Und die Familien hatten mehr Bedürfnis, das Wochenende gemeinsam zu gestalten, also das Freizeitbedürfnis nahm zu. Von daher war mir klar, dass man schon eine andere Möglichkeit finden musste.



domradio.de: Das heißt, dass man nicht alle Sänger jeden Sonntag bemühen kann...

Metternich: Genau. Das erste, was ich eingeführt habe, war ein chorfreier Sonntag für die Knaben. Die Männerstimmen haben nach wie vor jeden Sonntag und jeden Feiertag gesungen, aber bei den Jungs gab es einen chorfreien Sonntag im Monat. Das hängt aber nicht nur mit dem Freizeitverhalten zusammen, sondern das damalige Probenverhältnis - zwei Proben in der Woche und ein Hochamt - das ist nicht gut. So kann kein Chor auf einem vernünftigen Niveau musizieren. Und das musste sich auch ändern. Und so kam die Idee, mehrere Chöre aufzubauen. Eine andere Weiche war bereits gestellt: Die Domsingschule war gegründet und die Mädchen waren vorhanden. Deswegen war das folgerichtig, dass als erstes ein Mädchenchor gegründet wurde.



domradio.de: Sie leiten den Domchor und das Vokalensemble, an manchen Sonntagen singen Ihre Chöre morgens in der Messe und abends in der Vesper - verbringen Sie am Ende mehr Zeit im Dom als so mancher Domkapitular?

Metternich: (lacht) Meine Frau wird das wahrscheinlich so behaupten, aber das ist natürlich auch etwas, was sich in diesen Jahren hier am Dom entwickelt hat. Dass also nicht nur die Anzahl der Chöre gewachsen ist, sondern dass wir auch im gottesdienstlichen Angebot, das durch die Chöre gestaltet ist, mit der Einführung der Chorvesper vor nun vier Jahren einen wichtigen Akzent gesetzt haben. Ein solches Angebot gibt es in keiner anderen deutschen Kathedrale.



domradio.de: Was waren für Sie die Höhepunkte in den 25 Jahren als Domkapellmeister?

Metternich: Eigentlich könnte ich in jedem Jahr ein oder zwei Höhepunkte nennen. Das ist das schöne auch an meinem Beruf, dass es sehr abwechslungsreich ist. Es gibt immer besondere Anfragen und ich will mal so ein paar herausgreifen. Der erste große Höhepunkt war die Einweihung des Kardinal-Höffner-Hauses 1989 als Chorzentrum für die Chöre und die Domsingschule und die Musikschule des Kölner Domchores in Köln-Lindenthal. Das hat uns erst ermöglicht, diese Entwicklung so konsequent weiterzugehen. Ein ganz besonderes Highlight war das Chorfestival "Pueri Cantores", wo wir 2004 hier 6000 singende Kinder und Jugendliche in Köln hatten und das ein ganz tolles Fest im und um den Dom herum gewesen ist. Wir waren auch damals die ersten, die den Dom von den Kirchenbänken befreit hatten. Das war damals ein großes Ereignis.



Der Papstbesuch im Rahmen des Weltjugendtages 2005, den möchte ich nicht vergessen, als wir hier im Dom für Papst Benedikt XVI. gesungen haben. Und dann auch verschiedene Reisen, nicht nur nach Rom, sondern besonders nach Israel 2004 und auch nach Amerika. Das sind so die Highlights. Oder mit einem der jüngeren Chöre, dem Vokalensemble Kölner Dom, hatten wir jüngst eine Aufführung mit der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven unter dem Dirigat von Daniel Barenboim. Die Arbeit hat also ein ganz weites Spektrum, wie ich finde.



domradio.de: Plaudern Sie mal aus dem Nähkästchen. Was dürfte eigentlich nie passieren, was passiert ist?

Metternich: Es gibt immer kleinere "Lapsi", wenn irgendetwas bei einem Hochamt nicht so vorbereitet ist oder auch bei einer Chorvesper, zum Beispiel wenn ich mal einen falschen Ton angegeben habe und es herrscht direkt nach dem Einsatz völliges Chaos. Auch das kommt hin und wieder mal vor (lacht).



domradio.de: Turbo-Abitur und Ganztagsschule. Die Kinder heute haben immer weniger Zeit, heißt es. Das haben Sie vorher auch im Hinblick auf die Familien deutlich gemacht. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?

Metternich: Das ist das größte Problem, mit dem wir uns jetzt in den letzten Jahren schon beschäftigen. Wir sind, also meine Kollegen in der Chorleitung und auch viele, die im pädagogischen Sektor tätig sind, nicht für dieses Abitur nach acht Jahren Schulzeit. Allerdings: wenn das vernünftig gestaltet würde und man eindeutig zu der Verschiebung innerhalb der Gesellschaft stehen würde, denn die Schule übernimmt vieles von dem, was sonst außerschulische Institutionen, und dazu gehören wir genau wie die Sportvereine auch, übernommen haben. Wenn die Schule das übernehmen soll, dann muss man die Schulen besser ausstatten und sagen: Okay, die Kinder verbringen jetzt den ganzen Tag in der Schule und dann muss ein solch qualifiziertes kulturelles oder sportliches Angebot auch in einer Schule Platz haben. Wir erleben jetzt hin und wieder, dass jemand, weil er jetzt nachmittags Unterricht hat, nicht mehr so zu den Chorproben kommen kann, und dann bitten die Eltern um Befreiung und dann sagt die Schule: Der kann doch hier in den Chor gehen. Nur wenn man einen Schulchor mit einem Domchor vergleicht, dann ist das ein solch hinkender Vergleich. Das soll eine Schule erst mal schaffen.



domradio.de: Am Sonntag ziehen Sie in der Messe mit dem Zelebranten, den Messdienern und dem Chor mit ein und tragen dabei einen ganz berühmten Vorsängerstab aus dem Mittelalter. Das war Ihr Wunsch zum Dienstjubiläum. Warum?

Metternich: Ich habe durchaus, auch wenn ich immer mit vielen jungen Leuten zu tun habe und so sehr in der "Jetzt-Zeit" verankert bin, eine große Affinität zu der großen Tradition, die dieser Dom birgt und auch alles, was mit ihm in Liturgie zu tun hat. Ich habe oft in der Domschatzkammer gestanden und habe mir dort zwei mittelalterliche sogenannte Vorsänger- oder Kantorenstäbe angesehen. Einer davon ist aus dem Jahr 1178 und da ist eine schöne Inschrift drin und da kommen andere Aufsätze, ein bronzegegossener Aufsatz, der vergoldet ist, mit einer Anbetungsgruppe mit den Heiligen Drei Könige. Da stand ich sehr oft davor und dachte, der Stab müsste auch in seiner ursprünglichen Form wieder zur Geltung kommen. Er wurde damals einfach als Zeichen der Würde des Chorleiters oder desjenigen, der für den Chor verantwortlich war, dem  "chori episcopus", vorangetragen. Damit wurde nicht dirigiert, sondern nur vorangetragen. Das war einfach mein Wunsch, dass dieser Stab mal wieder in Funktion zu erleben ist. Da bin ich auch sehr dankbar für, dass das Domkapitel mir dieses gestattet hat.



domradio.de: Was machen Sie am liebsten, wenn Sie mal nicht im Dom sind?

Metternich: Ich bin sehr gerne Zuhause: Wir wohnen seit einigen Jahren in Weiden, haben einen schönen Garten und ich beschäftige mich auch dort im Garten gerne. Die Kinder sind jetzt allmählich flügge, sind dann auch nicht mehr so viel Zuhause. Und wenn ich mich nicht mit Musik beschäftige, gibt es kleinere Hobbys, für die ich aber nicht so viel Zeit habe. Das ist so ein bißchen das Segeln und auch eine Modelleisenbahn.





Das Interview führte Monika Weiß (domradio.de)





Hintergrund

Eberhard Metternich, geb. 1959, erhielt seine erste musikalische Ausbildung bei den Limburger Domsingknaben. Nach dem Abitur studierte er Schulmusik, Germanistik und Gesang in Köln, später Chorleitung an der Musikhochschule Frankfurt. Weitere Studien führten ihn nach Wien und Stockholm.



Nach einer zweijährigen Tätigkeit als Domkantor am Mainzer Dom wurde er 1987 Domkapellmeister in Köln. Im Rahmen einer grundlegenden Neukonzeption erweiterte er die Kölner Dommusik beständig. In seine Amtszeit fielen die Gründung des Mädchenchores am Kölner Dom 1989, der Domkantorei Köln mit der Kölner Domkapelle 1995 sowie des Vokalensemble Kölner Dom so dass die Chorlandschaft am Kölner Dom nun 4 feste Chöre sowie weitere Projektgruppen umfasst. Neben dem Vokalensemble Kölner Dom leitet Eberhard Metternich auch den Kölner Domchor, mit dem er beim 6. Deutschen Chorwettbewerb 2002 in Osnabrück den 1. Preis in der Kategorie "Knabenchöre" errang.



Daneben formierte er 1989 die Musikschule des Kölner Domchores als musikalische Ausbildungsstätte der Mädchen und Knaben neu und gründete 1991 die Geistliche Musik am Dreikönigenschrein als Konzertreihe für Vokalmusik am Kölner Dom. Mit seinen Chören unternimmt er regelmäßig Konzertreisen, die ihn bis nach Kanada, USA, Mexiko und Israel führten. Er arbeitet häufig mit anderen Kulturinstitutionen Kölns zusammen, wie Oper, Gürzenich-Orchester Köln, WDR und Philharmonie, und war mit den Chören des Domes des öfteren kultureller Botschafter Kölns vor allem in Partnerstädten Bethlehem, Tel Aviv, Cork und Liverpool. In diesem Zusammenhang leitete er auch namhafte Orchester wie das Israel Chamber Orchestra, das Royal Liverpool Philharmonic Orchestra, Gürzenich-Orchester Köln und Concerto Köln.



Seit 1993 hat Eberhard Metternich einen Lehrauftrag im Fach Chorleitung an der Musikhochschule Köln, die ihm 2001 den Titel "Professor" verlieh.