Für Kardinal Meisner ist der neue Ökumene-Appell nicht zielführend

Warnung vor "Ökumenischem Holzweg"

Zur aktuellen Ökumene-Debatte hat sich nun der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner geäußert. Die Autoren des Appells zur Ökumene erweckten den irrigen Eindruck, so der Kardinal, als bedürfe es nur eines herzhaften Entschlusses der Verantwortlichen. Zudem würden konfessionelle Gegensätze bisweilen sogar stärker, z.B. auf dem Gebiet der christlichen Ethik. Die Stellungnahme dokumentieren wir nachfolgend als Text und Video.

Erzbischof Joachim Kardinal Meisner: Ökumene geht nur weltweit (Erzbistum Köln)
Erzbischof Joachim Kardinal Meisner: Ökumene geht nur weltweit / ( Erzbistum Köln )

Am 5. September 2012 haben Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens einen Appell mit dem Titel "Ökumene jetzt: ein Gott, ein Glaube, eine Kirche" veröffentlicht. Unter Hinweis auf das 50-jährige Jubiläum des Zweiten Vatikanischen Konzils und das 500-jährige Gedenken der Reformation skizzieren sie die Spaltung der Christenheit im Abendland und rufen alle Christen - Hirten und Gläubige - dazu auf, sich tatkräftig an deren Überwindung zu beteiligen. Grundsätzlich ist das natürlich zu begrüßen, was der Ökumene dienen soll, aber es wäre sachlich richtiger, wenn damit eine Problemanzeige gegeben würde. Wenn es aber die Feststellung sein soll, die Kirchenleitungen bedürften nur eines herzhaften Entschlusses, die Einheit im Glauben herzustellen, dann wäre alles geregelt, dann wäre das eine große Ignoranz.



Zunächst ist zu beachten, dass die Katholische Kirche eine Weltkirche ist, in der 1,3 Milliarden Christen zusammengeschlossen sind. Fragen katholischer Glaubensüberzeugung und der Übereinstimmung mit anderen Konfessionen sind daher im nationalen Raum zwar zu fördern, nicht aber verbindlich zu entscheiden. Ökumene betreiben kann nur der, der den jeweiligen Partner ernst nimmt. Die traditionelle Formel, "dass katholische und evangelische Christen viel mehr verbindet als unterscheidet", reicht dazu nicht aus. Zum einen kann Ökumene in Europa nicht auf die beiden großen Konfessionen beschränkt sein. Wir dürfen nicht übersehen, dass in Deutschland und Westeuropa Millionen von orthodoxen Christen leben und diese namentlich in Osteuropa ein beträchtliches theologisches Gewicht haben. Ihre Theologie und ihr Amtsverständnis einfach auszuschließen, führt auf einen neuen ökumenischen Holzweg. Ebenfalls haben die zahlreichen Freikirchen in Deutschland und Westeuropa einiges zum Thema "Ökumene" beizutragen.



Um es nochmals zu sagen: Die Autoren des Appells zur Ökumene erwecken den Eindruck, als bedürfe es nur eines herzhaften Entschlusses, die Einheit im Glauben herzustellen. Das wirkt für die mit der Ökumene Beauftragten sehr ernüchternd, um nicht zu sagen deprimierend.



In der Zeit nach dem II. Vatikanischen Konzil hat es auf dem Gebiet der Ökumene große Fortschritte gegeben, und jetzt heißt es: "Wenn die da oben nur wollten, wäre alles möglich". Zum anderen wird man redlicherweise nicht die Augen davor verschließen dürfen, dass gerade in jüngster Zeit so mancher gewichtige konfessionelle Gegensatz nicht nur bestehen bleibt, sondern sich bisweilen sogar verstärkt. Das gilt nicht nur auf dem Gebiet der Glaubensfragen, sondern ganz besonders auf dem Gebiet der christlichen Ethik, die nur eine Konsequenz des Evangeliums ist. Seit nunmehr fast 50 Jahren bemühen sich die Kirchenleitungen trotz allem weiter darum, die tatsächlichen Entwicklungen in den Gemeinden vor Ort so zu begleiten, dass die Ökumene die Trennung unserer Kirchen überwindet und nicht neue Risse entstehen lässt. Seit dieser Zeit arbeiten viele engagierte Gläubige daran, die Ökumene weiter voranzubringen.



Es bleibt zu hoffen, dass der genannte Appell dieser Vertreter der Öffentlichkeit nicht zu der irrigen Einschätzung führt, die Einheit sei bereits erreicht und müsse nur noch vollzogen werden. Ein Läufer, der vor dem Ziel stehenbleibt und jubelt, verliert bekanntlich den Lauf.





Köln, den 6. September 2012





+ Joachim Kardinal Meisner

Erzbischof von Köln