Drei Fragen an den Württemberger Pfarrer Neuer vom Schülerkreis Benedikts XVI.

Protestant in päpstlicher Runde

An diesem Wochenende kommt im italienischen Castel Gandolfo der sogenannte Schülerkreis Benedikts XVI. zu seinem Jahrestreffen zusammen. Einziger evangelischer Dauergast in dieser Runde ist der württembergische Theologe Werner Neuer. Für ihn ist der Papst ökumenischer gesinnt, als es die Öffentlichkeit wahrnimmt.

 (DR)

epd: Herr Neuer, wieso gehören ausgerechnet Sie als evangelischer Theologe dem päpstlichen Schülerkreis an?

Neuer: Kardinal Ratzinger und ich haben uns 1991 persönlich kennengelernt. Dies hing mit meiner Erforschung des auch von Ratzinger geschätzten württembergischen Theologen Adolf Schlatter (1852-1938) zusammen, auf die der Kardinal aufmerksam wurde. Da ich damals schon ein leidenschaftlicher Ökumeniker war, ergab sich ein Austausch über ökumenische Fragen, der schließlich im Jahr 2001 zu einer überraschenden Einladung als Referent des Schülerkreises führte. Daraus entstand schließlich die jährliche Einladung des Papstes, als evangelischer Gast bei den Treffen des Schülerkreises dabei zu sein. Ich werde dort als evangelischer Christ und Theologe sehr respektiert.



epd: Ist Benedikt XVI. nicht stramm antiprotestantisch?

Neuer: Dies ist ein leider immer wieder anzutreffendes, anscheinend unausrottbares Vorurteil: Wer die Theologie des Papstes studiert hat und wer ihn persönlich kennt, weiß, dass dies in keiner Weise zutrifft. Vielmehr ist der Papst stark an der von Jesus Christus geforderten Einheit der Christenheit interessiert. Es geht ihm allerdings um eine in der biblischen Wahrheit verwurzelte, nachhaltige Ökumene, nicht um eine oberflächliche Höflichkeitsökumene, bei der sich in der Tiefe nichts wirklich verändert. Ohne Kardinal Ratzinger wäre beispielsweise die 1999 unterzeichnete Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre zwischen lutherischen Kirchen und katholischer Kirche nicht zustande gekommen. Der Papst hat auch immer wieder evangelische Referenten in seinen Schülerkreis eingeladen. In den letzten Jahren gehörten drei Tübinger Theologieprofessoren dazu.



epd: Werden Sie der einzige Evangelische bei diesem Treffen sein?

Neuer: Nein, in diesem Jahr sind zwei profilierte evangelische Theologen als Referenten eingeladen: Professor Ulrich Wilckens - nordelbischer Altbischof und emeritierte Neutestamentler - und der württembergische Pfarrer und Professor Theodor Dieter, Direktor des Straßburger Instituts für Ökumenische Forschung. Es geht bei der Tagung nämlich um die Ökumene zwischen Katholiken, Lutheranern und Anglikanern. Dass der Papst gerade dieses Thema ausgewählt hat, ist übrigens ein weiteres Signal für sein starkes ökumenisches Interesse.



Zur Person: Der 61-jährige promovierte Pfarrer lehrt am Theologischen Seminar St. Chrischona bei Basel.

Das Gespräch führte Marcus Mockler.