Der neue Kölner Dombaumeister tritt sein Amt an

Chefarzt für einen Stein-Patienten

Der neue Kölner Dombaumeister heißt Michael Hauck. Muskulöse Arme, kräftige Hände – wer dem Steinmetzmeister und Kunsthistoriker begegnet, spürt sofort, dass er nicht nur einen akademischen, sondern auch einen praktischen Zugang zu seiner neuen Aufgabe hat.

Autor/in:
Andreas Otto
 (DR)

Wenn Hauck spricht, dann sind seine bayerischen Wurzeln nicht zu überhören. Der gebürtige Würzburger hat 24 Jahre lang die Dombauhütte in Passau geleitet - und trifft mit seinem Wechsel nach Köln nicht nur auf eine andere Kathedrale, sondern auch auf rheinische Mentalität. Die indes schätzt der 52-Jährige. "Dieses sehr Direkte liegt mir", lobt er "die offene und mit hintergründigem Humor" gespickte Umgangsform an seiner neuen Wirkungsstätte.



Inzwischen hat er eine Wohnung "ganz nah" an der größten Touristenattraktion Deutschlands bezogen, allerdings ohne "Blick op de Dom". "Wenn ich in meinem privaten Refugium bin, dann brauche ich auch ein wenig Distanz, um meine Arbeit reflektieren zu können." Hauck sieht sich selbst vor einer besonderen Herausforderung, weist auf die Dimension des Kölner Doms hin und spricht von "Komplexität". Dabei hat er nicht nur das 800 Jahre alte Bauwerk selbst oder die Kunstwerke darin vor Augen, sondern die vielen Menschen, die auf ganz verschiedene Art mit dem Dom verbunden sind.



Da sind zum einen die 100 Mit- und Zuarbeiter der Dombauhütte, "die auf ganz eigene Weise tickt". Da sind Gläubige und Geistliche, für die der Dom Ort des Gottesdienstes ist. Da sind aber auch die Touristen, die den Turm besteigen, Grabungen besichtigen oder eine Dachführung machen. Und nicht zuletzt nimmt Hauck auch jenen Menschenstrom wahr, der sich Tag für Tag über die Domplatte ergießt. Denn die Passanten gilt es vor allem dann zu schützen, wenn orkanartige Winde die Steinschlaggefahr erhöhen und das Areal gesperrt werden muss.



Den Blick für die Schönheit der Kathedrale bewahrt

Für Hauck ist der Dom ein "gigantisches Bauwerk". Tief gläubige Menschen hätten ihn im 13. Jahrhundert mit bescheidener Technik begonnen - ohne zu wissen, was am Ende dabei herauskommt. Der Dombaumeister vergleicht diesen mittelalterlichen Wagemut mit dem High-Tech-Aufbruch der heutigen Raumfahrt. Hauck bemüht aber noch ein anderen Vergleich, den medizinischen: "Der Dom ist ein dauerhafter Pflegefall", so seine nüchterne Bilanz. Und als neuer Chefarzt ist er nun für die Therapie verantwortlich.



Er bekommt es mit porösen Steinen und anderen Altersbeschwerden zu tun. Aber auch mit Verwundungen und Narben aus vergangenen Zeiten wie dem Zweiten Weltkrieg oder mit negativen Nebenwirkungen früherer Behandlungen, als man es noch nicht besser wissen konnte. Die Liste mit den Diagnosen ist lang, Prioritätensetzung unausweichlich. Ganz oben siedelt Hauck die Sanierung der Fassaden des Chors an. Handlungsbedarf bestehe auch bei den Dächern der Chorumgangskapellen sowie den Portalen. Und als Warnschuss begreift er einen Vorfall im Frühjahr, als ein Passant durch Splitter eines aufschlagenden Steines verletzt wurde. Der Abbruch stammte aus dem zweiten Turmgeschoss am Südturm - inzwischen ebenfalls auf dem Operationsplan.



Bei aller Sorge um seinen Patienten hat sich der Dombaumeister aber den Blick für die Schönheit der Kathedrale bewahrt. Sein Lieblingsort findet sich auf dem Umgang etwa 20 Meter oberhalb der Portale. Von dort habe man das komplette Hauptschiff mit seiner "faszinierenden Länge und Höhe" im Blick. Und die vielen Menschen, die ihre Hektik vor der Tür gelassen haben und durch die Kathedrale wandeln. Hauck: "Der Dom ist immer ein Raum, in dem man Kontemplation finden kann."