Katholische Arbeitnehmer fordern neues Rentenmodell gegen Altersarmut

"Wir brauchen eine Sockelrente"

In Deutschland arbeiten immer mehr Rentner. Viele Menschen sind laut der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung zu einem Zuverdienst gezwungen. Im Interview mit domradio.de mahnt die KAB-Bundesvorsitzende Sabine Schiedermair deshalb ein neues Rentenmodell an.

 (DR)

domradio.de: Warum arbeiten noch so viele Rentner im hohen Alter?

Schiedermair: Die Motive sind sicherlich unterschiedlich. Wir erleben aber einen ganz klaren Trend, dass die Alterssicherung über die Rente deutlich zurückgeht. Und dass viele Menschen gezwungen sind dazuzuverdienen.



domradio.de: Das Jahr 2000 scheint ein Meilenstein für die Rente zu sein. Seither arbeiten immer mehr Menschen im hohen Rentenalter. Was ist in diesem Jahr geschehen?

Schiedermair: Seit dieser Zeit findet ein Umdenken in Deutschland statt. Es gab zwei große Rentenreformen, die den Willen, das Rentenniveau zu senken, deutlich gemacht haben. Parallel gab es die Hartz-Gesetze, bei denen auch noch mal Privatvermögen erst aufgebraucht werden musste, bevor man Arbeitslosengeld beziehen konnte. All das hat sicher dazu geführt, dass das Rentenniveau deutlich gesunken ist.



domradio.de: Nehmen die über 75-Jährigen mit ihren Minijobs anderen die Arbeit weg?

Schiedermair: Viele Minijobs finden wir in den Bereichen Gastgewerbe, Einzelhandel und auch im Reinigungsgewerbe. Und eine ganz große Dunkelziffer machen die aus, die in privaten Haushalten hinzuverdienen.



domradio.de: Rentner arbeiten, nicht weil sie es brauchen, sondern weil sie sich einfach noch fit genug fühlen und auch noch gut qualifiziert sind, sagen wieder andere. Die finanzielle Notlage sei nicht das Hauptmotiv...

Schiedermair: Bei immer mehr Menschen ist sie das aber. Wenn ich mir die Durchschnitts-Altersrente von Frauen anschaue, sehe ich: er liegt bei 534 Euro im Monat. Wo ist da wirklich die Absicherung? Eine andere interessante Zahl: Knapp 20 Prozent der alleinstehenden Frauen haben ein Netto-Gesamteinkommen unter 750 Euro im Monat. Davon ein Leben zu bestreiten, ist nicht möglich.



domradio.de: Das Arbeitsministerium hat laut Bericht darauf hingewiesen, dass sinkende Renten nicht gleichbedeutend seien "mit einer rückläufigen Entwicklung des Wohlstands" im Alter. Welche Einnahmequellen haben da angeblich an Bedeutung gewonnen? Und von wem spricht das Ministerium?

Schiedermair: Das Arbeitsministerium redet von denen, die es sich leisten können; von denen, die während ihrer aktiven Berufstätigkeit zurücklegen konnten. Aber wer kann das schon? Von welchem Geld soll eine alleinerziehende Frau zurücklegen?



domradio.de: Was fordert die KAB?

Schiedermair: Die Rente ist von 1021 Euro im Jahr 2000 auf 953 gesunken ist. Die Regelabsicherung wird immer niedriger. So ist das mit der solidarischen Absicherung nicht gedacht. Wir brauchen eine Sockelrente, die alle Menschen in Deutschland absichert - in die müssten dann aber auch alle einzahlen. Außerdem gehören Niedriglohnsektor und prekäre Beschäftigung abgeschafft. Und eine Sozialversicherungspflicht ab dem ersten Euro ist notwendig.



Das Gespräch führte Monika Weiß.