Stararchitekt erneuert ungarische Abtei Pannonhalma

Von Calvin Klein in die Kirchengeschichte

Der britische Architekt John Pawson wurde in den 1990er Jahren mit der Gestaltung von Geschäften der Modefirma "Calvin Klein" in England bekannt. Ein Merkmal seiner Entwürfe: Schlichtheit. Sie prägt nun auch die Basilika in der Benediktinerabtei Pannonhalma, dem wichtigsten Kloster Ungarns.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

"Gott ist Licht", schrieb einst der heilige Bernhard von Clairvaux. "Die Seele muss das Licht suchen, indem sie ihm folgt." Licht als wichtiger Bestandteil des Kirchenraumes: Diesem theologischen und bauästhetischen Grundsatz der Zisterzienser folgt auch der britische Architekt John Pawson. Bekannt geworden ist er mit der Innenausstattung der Calvin-Klein-Stores an der New Yorker Fifth Avenue, in Tokio, Seoul und Paris. Er entwarf Designereinrichtungen für einen der Flughäfen in Hongkong, arbeitete Jahre in Japan und ließ sich mit seinem gut gehenden Architekturbüro in London nieder. Bis eines Tages ein Mönch an ihn herantrat, der seine Arbeiten in einer Modezeitschrift entdeckt hatte.



Ein neues Kloster in einem böhmischen Dorf, tief in der Provinz des entkirchlichten Tschechien, sollte er bauen. Es wurde eine Freundschaft daraus - und ein "Lebenswerk", wie Pawson selbst meint.

Seit er zwischen 1999 und 2004 die Trappistenabtei in Novy Dvur schuf, hat der Meister der Klarheit mehrere sakrale Bauten in Angriff genommen. Am Montag nun wird der von ihm umgestaltete Innenraum der Benediktinerkirche von Pannonhalma neu geweiht, des wohl wichtigsten Klosters in Ungarn. Pawsons Ziel: den mittelalterlichen Bau entschlacken, "reduzieren auf das, was schon da ist"; Ballast abwerfen, eine Stimmung erzeugen, die Gebet, Trost, Sammlung ermöglicht - all das, was die Menschen vom Besuch einer Kirche erhoffen.



Einfluss: Architektur der Zisterzienser

Ballast abwerfen, das ist ein Thema seines Lebens. Eigentlich sollte der heute 63-Jährige einmal den väterlichen Textilbetrieb in der Grafschaft Yorkshire übernehmen. Doch er brach die Schule ab und unternahm längere Reisen durch die Welt, auf denen sein Interesse am Buddhismus geweckt wurde. Für ihn bis heute eine wichtige Quelle der Inspiration, ebenso wie die japanische Kultur - und die Architektur der Zisterzienser.



Denn der gute Draht der Mönche von Novy Dvur zu Pawsons Werken kam nicht von ungefähr: Aufgewachsen nahe den beeindruckenden Klosterruinen von Fountains Abbey, war Pawson später über Jahre immer wieder zum Zisterzienserkloster von Le Thoronet in der Provence gepilgert - einem "Mekka der Schlichtheit" in den Augen von Stilisten.



So waren umgekehrt auch die Zisterzienser fasziniert von Pawsons Calvin-Klein-Entwurf. Die Strenge, die Führung des Lichts - das entsprach der jahrhundertealten ursprünglichen zisterziensischen

Bautradition: Reinheit, Erhabenheit und der Verzicht auf jeglichen Schmuck. Von der "Kunst des Weglassens" sprechen Architekturkritiker.



Bänder aus indirektem Licht, die an beiden Seiten von Mittelschiff und Chor entlanglaufen, lenken die Aufmerksamkeit nach vorn auf Apsis und Altar. Ein ähnliches Prinzip hat Pawson auch im Inneren der Basilika von Pannonhalma angewandt. Die 996 gegründete Erzabtei der Benediktiner auf dem Martinsberg, rund 100 Kilometer westlich von Budapest gelegen, gehört seit 1996 zum Weltkulturerbe der UNESCO. Dort benediktinische Traditionen mit moderner Architektur zu verbinden, ziert Kloster wie Künstler gleichermaßen.



Nach rund 18 Monate dauernden Arbeiten zeigt sich die Basilika von Pannonhalma, in der 2011 das Herz des letzten Kronprinzen Österreich-Ungarns, Otto Habsburg-Lothringen (1912-2011) beigesetzt wurde, stark verändert. Die Sitzbänke wurden neu angeordnet und ein neuer Altar, ein Ambo sowie ein modernes Taufbecken errichtet. Die Kanzel aus dem 19. Jahrhundert wurde entfernt, ebenso ein großes Glasfenster mit der Darstellung des heiligen Martin über dem Hochaltar. Ballast abwerfen.



"Ich bin nicht interessiert daran, meine eigene Markierung zu hinterlassen", sagte Pawson kürzlich in einem Interview über die derzeit laufende Umgestaltung der mittelalterlichen Augsburger Moritzkirche, seinem jüngsten sakralen Projekt: "Aber ich hoffe, dass die Leute hereinkommen und sagen: "Wow, das fühlt sich gut an.""