Pater Samir setzt große Hoffnung in Papstbesuch

"Der Libanon ist eine Botschaft für die Welt"

Im September will Papst Benedikt XVI. in den Libanon reisen. Der Jesuit Samir Khalil Samir spricht über die Erwartungen, die die Christen mit diesem Besuch verbinden. Der gebürtige Ägypter wirkte am Schlussdokument der vatikanischen Nahost-Synode mit, das der Papst auf seiner Libanon-Reise veröffentlichen wird.

Der Papst will bei einer Messe in Beirut das Schlussdokument der Nahost-Synode veröffentlichen (KNA)
Der Papst will bei einer Messe in Beirut das Schlussdokument der Nahost-Synode veröffentlichen / ( KNA )

KNA: Pater Samir, die politische Lage im Libanon wird immer heikler. Mehrere Länder sprechen bereits Reisewarnungen aus. Wie sehen Sie die Lage?

Samir: Grundsätzlich ist die Situation ruhig. Die Probleme kommen aus Syrien. Von dort aus fliehen viele Menschen illegal, seien es Sunniten, Alawiten oder Christen in den Libanon. Das bringt politische Konflikte zwischen den jeweiligen Gruppen, besonders Sunniten und Schiiten. Der syrische Krieg wird damit in den Libanon, in dessen Grenzorte getragen. Das Land kann seine lange Grenze mit Syrien nicht entsprechend bewachen, weil die Armeekräfte nicht ausreichen.



KNA: Raten Sie dem Papst dennoch zu kommen?

Samir: Der Papst wird kommen. Mit seinem Besuch will er den Leuten die Botschaft vermitteln: Habt keine Angst, egal was passiert.

Benedikt XVI. ist überzeugt, dass der Libanon eine wichtige Rolle im Nahen Osten spielt, und will ihn stärken. Auch wenn dieser Staat klein ist, ist er doch der einzige echt pluralistische. Außerdem hat der Papst eine Botschaft für den Nahen Osten. Egal ob Irak, Palästina, Jordanien, Ägypten, Syrien, überall gibt es Probleme; im Libanon noch am wenigsten. Deshalb wird Benedikt XVI. die Christen ermutigen, im Land zu bleiben, um ihre Mission zu erfüllen.



KNA: Was erwarten Sie weiter von der Reise?

Samir: Weitere Schwerpunkte sind Begegnungen des Papstes mit Orthodoxen und Protestanten sowie mit Imamen aller islamischen Strömungen. Es geht dabei nicht nur um Religion, sondern darum, einen gemeinsamen Staat für alle Menschen aufzubauen. Christen, egal welcher Ausrichtung, sollten mit Muslimen aller Art zusammen eine Nation bauen, die für unterschiedliche Kulturen, Religionen und Meinungen offen ist. Der Libanon könnte so zum Vorbild für andere arabische Staaten werden. Schon Johannes Paul II. sagte: "Der Libanon ist mehr als eine Nation, nämlich eine Botschaft für die Welt." Das zeigt sich auch im Parlament. Dort sitzen 64 christliche und 64 muslimische Abgeordnete.



KNA: Der Papst kommt zu einer Zeit, in der im Nachbarland Syrien ein Krieg tobt...

Samir: ... und in der die arabische Welt Sehnsucht nach Freiheit hat, nach Demokratie und Gleichheit für alle. Dafür trat auch die Nahost-Bischofssynode 2010 ein. Inzwischen ist es das Ziel aller Leute. Doch wir haben es bis jetzt nicht geschafft. Das gilt für Tunesien, Ägypten, Libyen, Syrien und Bahrain. Der Besuch des Papstes könnte anregen, noch Mal einen neuen Anfang zu machen.



KNA: Sollte die Regierung Assads in Syrien fallen, was würde das für das Kräfteverhältnis der Glaubensrichtungen in Syrien und für den Libanon bedeuten?

Samir: Das ist eine Gefahr. In Syrien herrscht eine Diktatur. Doch der Vorteil war, dass sie Sicherheit garantierte und sich religiös neutral verhielt. Ihre politische Meinung durften die Menschen nicht äußern, aber so lebten die Christen in Sicherheit. Mit Assads wirtschaftlich liberalem Regime waren zudem Import und Export möglich. Die Christen sind auf Seiten der Opposition, wenn es um Menschenrechte geht - aber auf Seiten der Regierung, wenn es um Ruhe geht. Die Situation hat sich geändert. Diese Regierung wird sich wahrscheinlich nicht länger halten.



KNA: Und was folgt?

Samir: Sicher eine sunnitische Regierung, weil die Sunniten mit 75 Prozent die Mehrheit der Bevölkerung stellen, und damit wohl auch Fanatiker aufgrund des Einflusses von Saudi-Arabien und Qatar. Das wäre für alle religiösen Minderheiten eine Katastrophe. Die Sunniten sehen etwa die Alawiten als Häretiker und nicht als ordentliche Muslime. Dabei berufen sie sich auf eine Fatwa des berühmten Ibn Taymiyya aus dem 14. Jahrhundert, die ihnen ein Recht zum Töten zubilligt



KNA: Haben Einrichtungen wie die Akademie in Jordanien oder die Al-Azhar-Universität in Ägypten noch die Möglichkeit sich vermittelnd einzuschalten in diese politischen Prozesse?

Samir: Die jordanische Akademie trug 2006 nach dem Vortrag von Benedikt XVI. in Regensburg wesentlich dazu bei, die Sache klarzustellen. Die Folge war ein Gemeinsames Wort von 138 Islamwissenschaftlern. Außerdem kam es zu einer Konferenz in Rom mit Vertretern von katholischer und muslimischer Seite. Al-Azhar hat zwar 2011 seine langjährigen Beziehungen mit dem Vatikan unterbrochen. Das sind aber keine ernsten Sachen. Dieser Dialog wird weitergehen, mit Hochs und Tiefs, wie alle Dialoge.



KNA: Und wie agiert die Al-Azhar-Universität?

Samir: In diesem Jahr haben sie drei Dokumente herausgegeben, die zur Beruhigung der Lage und der fundamentalistischen Muslime beitragen sollen. Al-Azhar will zeigen, dass diese Universität für den echten Islam steht. Ihre Überzeugung lautet: Wir sind die Mitte.

Wir erleben vielleicht derzeit unsere schwierigste Krise in der arabischen Welt, weil wir nicht fähig sind, das Moderne zu integrieren. Alle möchten einen moderaten Islam, wissen aber nicht wie. Die christlichen Araber sind meiner Meinung nach die beste Brücke. Schon jetzt ist anerkannt, dass sie modernes Denken in Literatur, Kultur und Religion gebracht haben, weil sie offen gegenüber dem Westen und tief in der arabischen Kultur verwurzelt sind. Sie könnten beide Ufer zusammenbringen, werden wahrscheinlich aber von allen Passanten zertrampelt.



Hintergrund

Der Jesuit Samir Khalil Samir ist Direktor des Zentrums für christlich-arabische Kultur in Beirut und Professor für Islamwissenschaften in Rom. Benedikt XVI. will vom 14. bis 16. September in den Libanon reisen. Anlass der Reise ist die Vorstellung des Schlussdokuments der Bischofssynode für den Nahen Osten 2010. Neben der Hauptstadt Beirut will der 85-Jährige die Orte Baabda, Bzommar, Bkerke, Harissa und Charfet besuchen.



Das Interview führte Barbara Just (kna)