Missbrauchsbeauftragter lobt Einsatz von Kirchen zur Vermeidung von Missbrauch

Das Vereinbarte anwenden

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, lobt die Kirchen für ihr Engagement zur Vermeidung von Kindesmissbrauch. "Jetzt kommt es darauf an, dass das Vereinbarte auch tatsächlich zur Anwendung kommt", betont Rörig im domradio.de-Interview. Er kündigt eine Befragung von 1500 Kirchengemeinden zum Umgang mit sexualisierter Gewalt an.

Rörig: Pfarrer, Lehrer und Erzieher sollen vertrauensvolle Ansprechpersonen für Kinder sein (KNA)
Rörig: Pfarrer, Lehrer und Erzieher sollen vertrauensvolle Ansprechpersonen für Kinder sein / ( KNA )

domradio.de: Die Kirche lasse ein großes Engagement zur Vermeidung von Missbrauch erkennen, so loben Sie. Was konkret schätzen Sie denn?

Rörig: Die katholische Kirche, die Deutsche Bischofskonferenz, aber auch die deutsche Ordensoberenkonferenz hat sich mir gegenüber verpflichtet in ihren Strukturen die Einführung von Schutzkonzepten, also von Konzepten zur Prävention vor sexueller Gewalt, zu vereinbaren und zu unterstützen. Das ist ein ganz ganz wichtiger Schritt, der aufbaut auf dem, was die Deutsche Bischofskonferenz schon mit der Rahmenordnung zur Prävention von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen im September 2010 beschlossen hat. Das heißt, die Deutsche Bischofskonferenz und der Missbrauchsbeauftragte Bischof Ackermann werden ihr Engagement noch weiter verstärken. Das ist positiv hervorzuheben.



domradio.de: Woran müssen Kirche, Wohlfahrtsverbände und Sportbund noch in ihren Präventionsbemühungen arbeiten?

Rörig: Jetzt kommt es darauf an, dass das Vereinbarte auch tatsächlich bis vor Ort in die Einrichtung, in denen sich die Kinder und Jugendlichen tagtäglich aufhalten, auch zur Anwendung kommt. Das ist ein sehr komplizierter und anstrengender Weg für alle, die da Verantwortung tragen, aber der Weg muss gegangen werden. Es müssen in Einrichtungen, also auch in kirchlichen Gemeinden, in Sportvereinen, in Schulen und Kindertagesstätten zukünftig Schutz- und Handlungskonzepte zum Schutz der Kinder vor sexueller Gewalt eingeführt werden.



domradio.de: Mit den entsprechenden Vereinbarungen haben sich die Kirchen auch bereit erklärt,  den Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, also Sie, in diesem und im kommenden Jahr bei der Durchführung von zwei bundesweiten Befragungen in ihren kirchlichen Strukturen zu unterstützen. Was sind das für Befragungen?

Rörig: Ja, da bin ich sehr froh darüber, dass wir da Einvernehmen erzielen konnten. Es sind Befragungen in Einrichtungen vor Ort und  zwar werden wir die Einrichtungsleitung befragen, ob bereits Präventionskonzepte bei Ihnen zur Anwendung kommen bzw. für wann die Einführung oder Weiterentwicklung von derartigen Schutzkonzepten geplant ist. Wir müssen einen Überblick gewinnen und den Handlungsbedarf konkret identifizieren. So werden wir zum Beispiel im Bereich der katholischen Kirche, das ist unsere Absicht, 1500 Kirchengemeinden zu diesem Themenkomplex befragen, ob sie bereits Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt eingeschaltet haben.



domradio.de: Die erste Befragung ist im Juni angelaufen. Die Ergebnisse sollen auf dem Bilanztreffen des Runden Tisches am Jahresende vorgestellt werden. Worauf legen Sie besonders viel Wert?

Rörig: Ich hoffe natürlich, dass positive Ergebnisse zum Vorschein kommen. Ich werde darauf achten, dass die Ergebnisse transparent und nachvollziehbar vorgestellt werden. Ich hoffe, dass ich über viel Positives zu berichten haben, aber angenommen, es sollte sich in dem ein oder anderen Bereich herausstellen, dass nichts getan wird in Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches, dann würde ich das natürlich auch benennen.



domradio.de: Sie haben eine neue Kampagne zum Schutz vor Missbrauch für das kommende Jahr angekündigt. Was ist das Ziel dieser Kampagne?

Rörig: Die Kampagne soll die Einrichtungsleitung, aber auch die Eltern und die Fachkräfte bei der Einführung von Schutzkonzepten unterstützen. Ich möchte, dass die Kommunikation zwischen Eltern und Fachkräften, also Lehrern, Pfarrern und Trainern und Verantwortlichen in den Kitas beispielsweise erleichtert wird, dass über das Thema sexuelle Gewalt gesprochen wird und ich möchte die Eltern aktivieren, dass sie auch Schutzkonzepte vor Ort in den Einrichtungen nachfragen und einfordern. Eins ist mir ganz wichtig hervorzuheben: Ich möchte, dass die Fachkräfte, also die Lehrer, Erzieher, Trainer und Pfarrer sensibilisiert werden und dass sie als vertrauensvolle Ansprechpersonen für Kinder und Jugendliche zu Verfügung stehen. Wir müssen uns immer vor Augen halten: Die meisten Fälle sexuellen Missbrauchs finden in der Familie und im sozialen Umfeld statt und auch zwischen Kindern und Jugendlichen untereinander. Wichtig ist doch, dass die Vertrauenspersonen in den Einrichtungen dann tatsächlich für die Kinder und Jugendliche vertrauensvolle Ansprechpersonen sind und dass ihnen wirklich weitergeholfen wird.



Das Interview führte Monika Weiß (domradio.de)



Hintergrund:

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, äußerte sich am Dienstag bei einer Fachtagung zum Schutz vor sexueller Gewalt gegen Kinder in Berlin. Wie beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOS) und bei den Wohlfahrtsverbänden sei eine große Bereitschaft erkennbar, bei einem Missbrauchsverdacht einzugreifen und die Prävention vor Ort zu verbessern, erklärte Rörig. Die Kirchen hatten im Juni Vereinbarungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt in Berlin unterzeichnet.



Ziel der Vereinbarung ist es nach den Worten des Missbrauchsbeauftragten, die Empfehlungen des von der Bundesregierung eingesetzten Runden Tisches gegen Kindesmissbrauch umzusetzen. Den Maßnahmenkatalog haben auch der DOS, die Arbeiterwohlfahrt, der Paritätische Gesamtverband, die kommunalen Spitzenverbände sowie der Deutsche Bundesjugendring unterschrieben.



Mit den Vereinbarungen erklären sich die Kirchen auch bereit, den Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung in diesem und im kommenden Jahr bei der Durchführung von zwei bundesweiten Befragungen in ihren kirchlichen Strukturen zu unterstützen. Dazu sollen Diözesen, Landeskirchen und Gemeinden nach Angaben Rörigs darüber Auskunft geben, welche Konzepte zu Prävention und Intervention bei sexualisierter Gewalt entwickelt wurden und welche geplant sind. Die erste Befragung, die auch in Kitas, Internaten, Heimen, Kinderkliniken, Sport- und Jugendverbänden sowie bei den Trägern von Kinder- und Jugendreisen sowie voraussichtlich auch in Schulen stattfindet, ist im Juni angelaufen. Die Ergebnisse sollen auf dem Bilanztreffen des Runden Tisches am Jahresende vorgestellt werden. Eine zweite Befragung soll im kommenden Frühjahr erfolgen.

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