Moskauer Patriarch beginnt historischen Polen-Besuch

Hoffnung auf Versöhnung

Mit seiner Reiser wolle er vor allem zu Versöhnung zwischen Polen und Russen aufrufen, versichert Patriarch Kyrill I. schon bei der Ankunft am Warschauer Flughafen. Es ist das erste Mal, dass ein russischer Patriarch Polen besucht. Als Höhepunkt der viertägigen Reise gilt die Unterzeichnung einer Versöhnungserklärung mit Polens katholischer Kirche am Freitag.

Moskauer Patriarch Kyrill (KNA)
Moskauer Patriarch Kyrill / ( KNA )

Er sei überzeugt, dass auf der gemeinsamen Grundlage des Evangeliums Missverständnisse zwischen beiden Ländern ausgeräumt werden könnten. Der Ton zwischen beiden Ländern und Völkern müsse sich ändern, hatte Kyrill I. bereits kurz vor seiner Abreise am Donnerstag dem Polnischen Rundfunk in einem Interview gesagt. Es sei notwendig zu sagen: "Verzeiht".



Patriarch warnt vor Politisierung der Kircheninitiative

Der Patriarch warnte zugleich vor einer Politisierung der gemeinsamen Initiative beider Kirchen. "Wenn wir unsere Initiative mit der katholischen Kirche in den politischen Kontext des frühen 21. Jahrhunderts stellen, begehen wir einen großen Fehler", so Kyrill I.



Auch der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Jozef Michalik, sagte dem Sender, die Versöhnungserklärung habe keinen politischen Charakter. Es handele sich um ein ausschließlich religiöses Dokument. "Das ist ein seelsorgerischer Akt."  



Die Erklärung soll am Freitag kurz vor der Unterzeichnung durch Michalik und Kyrill I. veröffentlicht werden. Sie besteht laut Michalik aus drei Teilen: einem Aufruf zur polnisch-russischen Versöhnung, einem Blick in die Geschichte sowie einer Aufzählung von Werten, die Christen in der heutigen Welt vertreten sollten.



Inspiration gab der Briefwechsel zwischen deutschen und polnischen Bischöfen

Inspiriert sei das Dokument unter anderem vom Briefwechsel der Polnischen und Deutschen Bischofskonferenz von 1965 und eines Versöhnungsgottesdienstes mit der griechisch-katholischen Kirche der Ukraine von 2005.



Die polnisch-russischen Beziehungen sind unter anderem wegen der Rolle der Sowjetunion zu Beginn des Zweiten Weltkriegs und der Ermordung polnischer Kriegsgefangener bis heute belastet.



Sowjetische Truppen hatten Polen zwar 1944/45 von den deutschen Besatzern befreit, dem Land aber ein moskautreues Regime aufgezwungen. Russische Historiker wiederum machen Warschau für den Tod Tausender sowjetischer Kriegsgefangener während des polnisch-sowjetischen Kriegs Anfang der 1920er Jahre verantwortlich.



Kyrill I. feiert orthodoxe Wallfahrtsmesse in Grabarka

Kyrill I. besucht Polen auf Einladung der orthodoxen Kirche des Landes. Am Donnerstag stehen neben Begegnungen mit deren Oberhaupt, Metropolit Sawa, und Staatspräsident Bronislaw Komorowski auch ein Besuch am Sitz der katholischen Bischofskonferenz auf dem Programm. Am Sonntag will Kyrill I. in Grabarka an der wichtigsten orthodoxen Wallfahrtsmesse Polens teilnehmen.



Kyrill I. macht sich seit seinem Amtsantritt vor dreieinhalb Jahren für eine engere Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche stark. Polen ist das erste katholisch geprägte Land, das er besucht.



Die russisch-orthodoxe Kirche ist mit rund 150 Millionen Gläubigen die mit Abstand größte orthodoxe Nationalkirche. Sie zählt fast alle ehemaligen Sowjetrepubliken zu ihrem Territorium. Die katholische Kirche hat in Polen traditionell großen Einfluss. Mehr als 95 Prozent aller Bürger des Landes sind katholisch getauft.



Hintergrund:

Am 15. August 1920 stoppten polnische Soldaten kurz vor Warschau die sowjetische Armee. Dadurch sicherte der erst knapp zwei Jahre zuvor, am Ende des Ersten Weltkrieges, wiedererstandene Staat seine Unabhängigkeit. Polen begeht deshalb jedes Jahr am 15. August den "Tag der Armee" mit einer Militärparade in Warschau.



Den damaligen Sieg führen viele Polen auch auf die Fürsprache der Gottesmutter Maria zurück. Darauf verwies der Apostolische Nuntius in Warschau, Erzbischof Celestino Migliore, in einer Messe. Die polnischen Bischöfe hätten sich seinerzeit an den damaligen Papst Benedikt XV. (1914-1922) gewandt. Dieser habe die Polen aufgerufen, im Krieg um die Fürsprache der Gottesmutter zu bitten. An Mariä Himmelfahrt setzten sich dann die polnischen Truppen durch.



Seit 2005 erinnert auch Russland mit einem Feiertag an einen Sieg gegen Polen. Am 4. November, dem "Tag der nationalen Einheit", wird der Befreiung Moskaus von polnischen Truppen im Jahr 1612 gedacht, vor genau 400 Jahren also.



Belastet sind die Beziehungen auch wegen der Rolle der Sowjetunion zu Beginn des Zweiten Weltkriegs und der Ermordung polnischer Kriegsgefangener. Sowjetische Truppen hatten Polen zwar 1944/45 von den deutschen Besatzern befreit, dem Land aber ein moskautreues Regime aufgezwungen. Zahlreiche Russen wiederum machen Warschau für den Tod Tausender sowjetischer Kriegsgefangener während des polnisch-sowjetischen Kriegs Anfang der 1920er Jahre verantwortlich.