Das Geschäft mit dem Organhandel in Asien boomt

1,5 Millionen Rupien für eine Niere

Organisierte Banden machen Millionengeschäfte, indem sie Hunderttausende Arme als billiges Ersatzteillager für die Körper von Reichen nutzen. Der Organhandel in Indien blüht. Und nicht nur hier.

Autor/in:
Agnes Tandler
 (DR)

Dr. Chadha war eine gute Adresse für diejenigen, die eine Spender-Niere brauchten. Der Arzt und Besitzer der "Indu Super Speciality Clinic" in der zentralindischen Stadt Hyderabad konnte so etwas diskret und schnell arrangieren. Der Service hatte seinen Preis: 1,5 Millionen Rupien (rund 22.000 Euro) kostete die neue Niere - inklusive Operation. Jahrelang machte Ramesh Chadha ein gutes Geschäft.



Bis im Mai der 26-jährige Yadgiri bei der Polizei vorstellig wurde und Chadha und zwei Mittelsmänner anzeigte. Die beiden waren in den Slums, den Siedlungen und Dörfern um Hyderabad unterwegs, um arme und verschuldete Leute zu finden, die ihre Niere verkaufen wollten. Yadgiri sollte umgerechnet 7.300 Euro für eine Niere erhalten und davon etwa 1.500 Euro an die beiden Organhändler zahlen. Doch Yadgiri ging zur Polizei.



"Kein Krankenhaus hält sich an die Vorschriften, wenn es um Transplantationen geht", klagt Gopal Kishan, der Arzt, der 1982 die erste Nierentransplantation in Indien vornahm. Weil die Regierung und die Behörden tatenlos zusähen, floriere der illegale Organhandel. Bei 98 Prozent aller Transplantationen, bei denen das Spenderorgan nicht von einem Verwandten stamme, sei Geld geflossen, schätzt Kishan, früherer Vorsitzender der Indischen Gesellschaft für Organtransplantation. Die Regierung solle alle Organverpflanzungen verbieten, bei denen die Niere oder die Leber nicht von einem Familienangehörigen stammt, fordert der Arzt.



Millionengeschäft

Organhandel ist in Indien ein gutes Geschäft. Organisierte Banden machen Millionen, indem sie Indiens Hunderttausende Arme als billiges Ersatzteillager für die Körper von Reichen nutzen. Regelmäßig fliegt ein solcher Transplantations-Ring auf, doch niemand in Indien ist sonderlich überrascht davon, dass das brutale Schwarzmarkt-Geschäft mit menschlichen Organen boomt. Extreme Armut und mangelnde Bildung machen die Menschen zu leichten Opfern.



Die indische Regierung hat bereits 1994 den Verkauf von Nieren zu kommerziellen Zwecken verboten. Wer das Gesetz bricht, dem droht eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren. Doch legale Organspenden in Indien sind selten. Die Spenderate liegt bei einem Organ pro Million Einwohner, in Deutschland sind es fast 15. Es fehlt an Aufklärung, Infrastruktur und Organisationswillen, sagen Kritiker.



Indien hat daher einen hohen Bedarf an Spenderorganen, der nicht auf legalem Weg gedeckt werden kann. Der Ausweg, einem Arzt Geld zu zahlen, der eine Niere oder ein anderes Organ organisiert, ist hingegen einfach.



Organhandel auch Pakistan

Ähnlich ist die Situation im Nachbarland Pakistan: Wie in Indien sind es meist Spender-Nieren, die gesucht werden. Wie in Indien gibt es kaum legale Spender, und auch Pakistan verbietet den Verkauf von Organen. Zudem finden es die meisten Pakistaner besser, eine Niere zu kaufen als von einem Verwandten gespendet zu bekommen.



Für eine Studie wurden jüngst 100 Einwohner der Metropole Karatschi zu dem Thema befragt. 70 Prozent wollten lieber eine Niere kaufen, als eine von einem Familienmitglied annehmen, wie die pakistanische Zeitung "Dawn" berichtete. Nierenkrankheiten sind in Indien und Pakistan inzwischen weit verbreitet, doch es sind meist die Reichen, die eine neue Niere brauchen, weil sie übergewichtig sind und Medikamente - etwa gegen Bluthochdruck - einnehmen, die ihre Nieren geschädigt haben.



Ärzte, die gegen die Gesetze verstoßen, werden nur selten bestraft. Bereits zwei Tage nach seiner Verhaftung im Mai kam Chadha gegen Kaution frei. Ob er jemals wegen Organhandel verurteilt wird, ist fraglich. Sein Haftbefehl lautete nur auf den "Versuch der illegalen Transplantation". Ein neuer Spender-Skandal in Indien hat inzwischen den alten abgelöst. In Jaipur wird ein Mediziner an einem staatlichen Krankenhaus beschuldigt, im Juni die Niere eines zweijährigen Jungens heimlich entfernt zu haben, als er den Finger des Kindes operierte. Der Junge starb nach dem Eingriff.