Exil-Syrer berichtet über anhaltende Gewalt gegen Zivilisten

Wer kann, der flieht

Der Kampf um die Herrschaft in Syrien geht weiter: Opposition und Regierungssoldaten kämpfen erbittert gegeneinander. Mittendrin sind die Zivilisten. Der Syrer Sadiq Al-Moussllie lebt in Braunschweig und ist Mitglied im Syrischen Nationalrat, einem Zusammenschluss von Oppositionsgruppen. Im domradio.de-Interview beschreibt er die ausweglose Lage der Menschen in seiner Heimat.

 (DR)

domradio.de: Wie sind Ihre Informationen. Wie sehr haben die Zivilisten in Syrien unter den andauernden Kämpfen zu leiden?

Sadiq Al-Moussllie: Das ist überall in dem Land so, dass die Assad-Milizen gar nicht unterscheiden zwischen Zivilisten oder auch bewaffneten Oppositionellen, der freien syrischen Armee. Die Bomben und die Raketen treffen vor allem Zivilisten. Leider Gottes sind Häuser ein beliebtes Ziel der Assad-Milizen. Deswegen versuchen viele Leute auch sehr oft die Nacht im Freien zu verbringen, für sie ist es da mehr oder weniger da sicher. Wir haben seit fast einer Woche über 250.000 Menschen, die allein aus Aleppo geflohen sind. Und sind nur die Leute, die herausgehen konnten. In Damaskus sieht es nicht anders aus. Die Leute fahren weg und versuchen ihre Familien in Sicherheit zu bringen.



domradio.de: Immer wieder bekommen wir die Informationen, dass es sich bei den Oppositionellen zunehmend um radikale Islamisten handelt, auch um Söldner, die nach Syrien kommen. Was sagen Sie dazu?

Sadiq Al-Moussllie: Ich muss ganz ehrlich sagen, ich habe keine konkrete Information, dass da aus den umliegenden Ländern Söldner nach Syrien kommen. Die Syrer haben schon immer gesagt, wir brauchen keine weiteren Männer, wir können es selber auch fertigbringen.  



Aber die Opposition, die freie syrische Armee, hat die ganze Zeit davon gesprochen, dass sie Waffen braucht. Bis jetzt war die Internationale Gemeinschaft noch nicht so ganz entschlossen auf diesem Wege zu helfen. In der letzten Zeit hat man das Gefühl, da hat sich etwas verändert. Über radikale Söldner habe ich ehrlich gesagt keine konkreten Informationen.  Eins steht aber für uns als Syrer, sowohl in der freien syrischen Armee als auch im syrischen Nationalrat als auch für jeden Aktivisten fest: wir lehnen jede extremistische Haltung ab. Syrien ist für alle Syrer, egal welcher Zugehörigkeit.



domradio.de: Ebenso hört man, dass Christen in Syrien es zunehmend schwerer haben und sie verfolgt werden, zwischen den Fronten stehen. Deckt sich das mit ihren Kenntnissen?

Sadiq Al-Moussllie: Das ist eine Sache, die man so in den Medien hört. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man außerhalb Syriens die Sache anders wahrnimmt als innerhalb Syriens. Ich habe auch Kontakt zu Christen in Syrien und ich weiß, wie die dann auch darüber sprechen. Ich weiß, dass auch christliche Syrer die Demonstrationen und die Revolution unterstützen. Aber die große Explosion in Damaskus gegen das Nationalsicherheitszentrum haben drei Leute ausgeführt und einer von ihnen war ein christlicher Syrer. Die Syrer haben schon immer zusammengelebt. Muslime, Christen, Drusen, Aleviten, das Regime hat versucht, sie zu trennen, aber hat es nicht geschafft. Es gibt Muslime/Sunniten, die pro Regime und gegen die Revolution sind. Es gibt aber auch Christen, die gegen das Regime und Pro Revolution sind.



domradio.de: Wie lange, glauben Sie, kann sich Assad noch halten?

Sadiq Al-Moussllie: Fest steht, dass das Regime auseinanderbricht. Man hat es ja gesehen, dass der Premierminister sich auch vom Regime distanziert hat. Das war natürlich ein großer Schlag für das Regime. Die freie syrische Armee wird immer stärker.



Wir wissen, dass Assad selbst sich nicht in Damaskus befindet. Er ist irgendwo an der Küste in einem sicheren Gebäude. Damaskus ist eine Stadt, die außer Kontrolle ist. Politisch gesehen hat Assad überhaupt keine Kontrolle. Da sind einfach seine Söldner, die Milizen, die jetzt verschiedene Viertel bombardieren. Auch in Aleppo laufen Kämpfe. Wir wissen mit Sicherheit, dass Assad politisch am Ende ist. Ich hoffe,  dass es schneller geht, als erwartet. Wir wissen nur leider auch, dass es da internationale Kräfte gibt, die das Leben des Regimes verlängern wollen.

Je schneller desto besser, aber es wäre von mir jetzt anmaßend zu sagen, es dauert zwei Monate oder noch zwei Wochen. Aber wir wissen, dass es auf jeden Fall sehr bald sein wird.



Das Interview führte Christian Schlegel