Die Getreidepreise in Afrika steigen rasant

Angst vor neuer Ernährungskrise

Die Armen in Afrika trifft es am härtesten, wenn die Getreidepreise steigen. Nicht nur die Menschen in den Städten, auch die Kleinbauern müssen um ihr Essen bangen. Weizen und Mais haben sich bereits rasant verteuert.

Autor/in:
Elvira Treffinger
 (DR)

Der Anstieg der Getreidepreise ist das erste Warnzeichen für eine weltweite Hungerkrise. Seit Anfang Juni erhöhte sich der Weizenpreis um 32 Prozent auf 330 US-Dollar je Tonne, wie die UN-Ernährungsorganisation FAO mitteilt. Die Dürren in den USA, Russland, in der Ukraine und Kasachstan trieben die Preise nach oben.



"Es ist alarmierend", sagt Mathias Mogge, Programmvorstand der Deutschen Welthungerhilfe. Er denkt an die vielen afrikanischen Länder, die Getreide importieren müssen. In Westafrika sind bis zu 18 Millionen Menschen akut von Hunger bedroht, wenn nicht schnell genug ausländische Hilfe kommt. Aber das Blatt könnte sich auch wieder wenden, glaubt Mogge.



Vor vier Jahren spielten die Märkte verrückt. "Allein zwischen 2005 und 2008 haben sich die Preise von Weizen, Reis und Mais verdreifacht", betont die Sachverständigengruppe zu "Weltwirtschaft und Sozialethik" der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. Fast 80 Millionen Menschen stürzten damals nach FAO-Schätzungen in Hunger und Armut. Seither sanken die Preise nicht mehr auf den alten Stand, und immer wieder gibt es Preissprünge.



Die aktuellen Trends sieht der promovierte Agrarökonom Detlef Virchow an der Universität Hohenheim in Stuttgart mit Sorge: "Da kommt etwas Schlimmeres auf uns zu als 2008", sagt der Geschäftsführer des Hohenheimer Zentrums für Ernährungssicherheit ("Food Security Center"). Die Folgen für die Armen in Afrika, die fast ihr gesamtes Einkommen für Essen ausgeben müssen, wären

gravierend: "Die können nicht den Gürtel enger schnallen." Sprich: Wenn sie weniger essen, hungern sie.



Es ist paradox: Weltweit hungern nach UN-Schätzungen bereits 925 Millionen Menschen. Und etwa 50 Prozent davon sind Kleinbauern in Entwicklungsländern, die selbst Lebensmittel erzeugen. "Das macht die ganze Sache so bitter", sagt Virchow. Theoretisch könnten die Bauern vom Preisanstieg profitieren, aber die Realität ist eine andere.



Konkurrenz zwischen Tank und Teller

Viele Bauern müssen ein Großteil ihres Getreides nach der Ernte verkaufen, wenn der Preis niedrig ist. Sie können den Mais oder die Hirse nicht lagern und brauchen Geld für den Arzt, für Kleidung, Schuhe und Schulgeld. Später im Jahr müssen sie Getreide kaufen - zu saisonal höheren Preisen. "Effektiv verlieren sie", sagt Virchow. Und dies umso mehr, je stärker die Preise klettern.



Dass die Preise für Lebensmittel seit der Jahrtausendwende unberechenbarer und sprunghafter geworden sind, hat mehrere Gründe. "Ein wichtiger Faktor ist der wachsende Bedarf an Tierfutter", erklären die Experten der Bischofskonferenz. Weltweit wächst der Konsum an Fleisch. Zur Aufzucht von Rindern, Schweinen und Geflügel aber wird viel Soja, Getreide und Weideland gebraucht.



Problematisch ist aber auch die Konkurrenz zwischen Tank und Teller. Durch die Produktion von Biosprit aus Mais, Raps oder Zucker rückten der Energie- und Lebensmittelmarkt zusammen. Die USA verwenden fast die Hälfte ihrer Maisernte für Bioethanol. Steigt der Erdölpreis, wächst die Nachfrage nach Sprit vom Acker. Felder werden nicht für Essen, sondern für Energie bepflanzt. "Das ist kein fairer Markt", sagt Virchow.



Der Hohenheimer Wissenschaftler plädiert für ein sofortiges Ende der Subventionen für Biosprit, eine Abkehr von der E-10-Beimischung im Benzin in der EU und eine klare "Food First Politik", die der Ernährung Vorrang einräumt: Wenn Mais knapp sei, dürfe er eben nicht mehr zu Bioethanol verarbeitet werden. Nur Abfälle und Gülle sollten aus seiner Sicht Energie liefern.



An der Preisspirale drehen auch die Spekulanten mit. Große Versicherungen, Fonds und Banken kaufen heute Papiere von Agrarterminmärkten, ihr Einfluss ist jedoch schwer zu berechnen. "Die Spekulation spielt für die Agrarpreise eine Rolle, ist aber nicht die treibende Kraft", sagt Virchow. "Sie verstärkt nur einen Trend, der ohnehin da ist."



Nur fünf bis 15 Prozent der weltweiten Getreideproduktion werden international gehandelt. Große Player sind Agrarexporteure wie die USA, Australien, Argentinien, Brasilien und Russland. China mit seinen 1,3 Milliarden Menschen muss normalerweise keinen Reis importieren, das kann sich aber bei Missernten ändern. "Wenn China für zehn Prozent seiner Einwohner Reis kauft, ist der Weltmarkt leer", sagt Virchow.