Kofi Annan gibt als Vermittler im Syrien-Konflikt auf

Leiser Ritter von der traurigen Gestalt

Es war die größte Aufgabe Kofi Annans als diplomatischer Vermittler, seit er im Dezember 2006 seinen Stuhl als UNO-Generalsekretär räumte. Nun hat der Friedensnobelpreisträger seine Mission für den Konflikt in Syrien aufgegeben.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Man ist irgendwie immer ein bisschen bei ihm, wenn man ihn in der so bekannten Pose in den Nachrichten sieht: leise, geduldig, geschafft und immer etwas traurig wie ein altgedienter Lehrer, der eine Sache zum hunderttausendsten Mal erklärt - weil die Schüler es doch endlich begreifen müssten. Das höfliche, leicht gequälte Lächeln, das am Ende doch Hoffen wider alle Hoffnung ausdrückt. Kofi Annan ist ein Stück Weltgewissen, ein Held, aber auch ein Verlierer - weil die anderen es am Ende wieder nicht begriffen haben.



Zehn lange Amtsjahre war er der Mann mit dem "unmöglichsten Job der Welt". Ein letzter Hoffnungsträger zum Umsteuern des Tankers "Weltgemeinschaft". 11. September, Invasion in Afghanistan, Irak-Krieg: Zwischen den Klippen von Terrorismus, "clash of civilisations" und Völkermord hatte er als UNO-Generalsekretär so manchen Schiffbruch zu erleiden.



Die Meilen, die Annan im Dienst für die Völkergemeinschaft zurückgelegt hat, dürften zusammengerechnet ein paar Mal zum Mond reichen. Mancher Einsatz ist sicher über seine Schmerzgrenze hinausgegangen: Spagate tun auch dem Geschmeidigsten weh. Und Kofi Annan war sich nie zu schade für den täglichen Spagat zwischen Reich und Arm, Nord und Süd.



Rolle des Ritters

Nicht nur bei der UN-Reform, auch und vor allem im Sudan-Konflikt geriet der Makler Annan zuweilen in die Rolle des Ritters von der traurigen Gestalt. Gebetsmühlenartig drohte er der Regierung in Khartum mit Konsequenzen - die jedoch wie erwartet ausblieben. "Nie wieder Ruanda", so beschwor Annan die internationale Nicht-Gemeinschaft. Er, der selbst 1994 als UN-Diplomat während des Völkermordes in Ostafrika seine bitterste Stunde erlebte. Das Versagen der Vereinten Nationen in Ruanda nahm er auch auf seine Kappe - was seine moralische Autorität noch stärkte.



Auch nach seinem Ausscheiden aus dem höchsten Amt verkörperte der Volks- und Betriebswirt aus Ghana die UNO: Über 44 Jahre stand Kofi Annan in ihrem Dienst. Seit 1962 führten ihn seine vielseitigen Tätigkeiten unter anderem nach Addis Abeba, Kairo und Genf. Die irakische Besetzung Kuwaits 1990 und die Massaker an Zivilisten im Bosnien-Konflikt waren diplomatische Feuertaufen für das Amt als oberster Friedenswahrer der Weltgemeinschaft.



In der Sprache seines Fante-Stamms im Westen Ghanas bedeutet Kofi "Freitag". An einem Freitag im Dezember 1996 wurde der vornehme Häuptlingssohn zum siebten Generalsekretär der Vereinten Nationen gewählt. An einem Freitag des Jahres 2001, einen Monat nach den Terroranschlägen des 11. September, erhielt Kofi Annan den ersten Friedensnobelpreis des neuen Jahrtausends zugesprochen: für seinen Einsatz um den Frieden in der Welt - aber wohl auch für seine bemerkenswerte Frustrationstoleranz. Fast logisch, dass auch seine Amtszeit am East River an einem Freitag zu Ende ging.



Vorhersehbares Scheitern

Nicht mit breitem Kreuz und Herrscherposen, sondern mit feinen Nerven, geistreich und beharrlich hat Annan immer versucht, der internationalen Gemeinschaft und dem Friedenswillen eine neue Autorität zu geben. Immer wieder bekam er schmerzlich seine Grenzen aufgezeigt: durch islamistische Terroristen, die den Frieden nicht wollen; durch die USA, die als größter Schuldner der Vereinten Nationen immer gerne die Erpresserkarte spielen, wenn es darum geht, genehme politische Entscheidungen herbeizuführen. Oder, wie jetzt in Syrien, durch Politiker im Nahen Osten wie in Europa, die die eigenen Interessen über die Bedürfnisse derer stellen, die unter Gewalt und Konflikten leiden.



Das Scheitern seiner Syrien-Mission war vorhersehbar; nun hat Kofi Annan das Handtuch geworfen. Es ehrt ihn, dass er es trotzdem versucht hat: leise und beharrlich, wie man ihn kennt.