Päpstlicher Kammerdiener in "provisorischer Freiheit"

Hausarrest und viele Fragen

Der wegen des Diebstahls päpstlicher Geheimdokumente festgenommene päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele befindet sich wieder in "provisorischer Freiheit". Nach einer abschließenden Befragung entließ der vatikanische Untersuchungsrichter Piero Bonnet den Beschuldigten nach 60-tägigem Aufenthalt in der vatikanischen Haftzelle am Samstagabend in einen Hausarrest.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Die erste Runde, Licht in die Vatileaks-Affäre zu bringen, ist abgeschlossen. Der päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele, in dessen Wohnung die Gendarmerie vertrauliche Vatikanpapiere sichergestellt hatte, durfte am Samstagabend seine Haftzelle verlassen.



Nach Abschluss der Ermittlungsphase und 60 Tagen Einzelhaft hat der vatikanische Untersuchungsrichter Piero Bonnet Gabriele in eine "provisorische Freiheit" entlassen und unter Hausarrest gestellt, teilte Vatikansprecher Federico Lombardi mit. Bis auf weiteres und unter Auflagen darf Gabriele sich im Kreis der Familie in seiner Wohnung im Vatikanstaat aufhalten. Über seine Kontakte - mit Ausnahme einer seelsorglichen Betreuung - muss das Vatikangericht befinden.



Mit Abschluss der Ermittlungsphase haben die beiden Verteidiger des untreuen Butlers ihr Schweigen beendet und sich den Fragen der Medien gestellt. Ihr Mandant habe aus Idealismus gehandelt, aus Liebe zum Papst und um ihm zu helfen, betonte sein Jugendfreund und Rechtsbeistand Carlo Fusco. Gabriele habe alleine gehandelt, er gehöre weder zu einem Netzwerk noch zu einer vatikaninternen oder -externen Verschwörung. Und Verteidigerin Cristiana Arru schloss kategorisch aus, dass ihr Mandant Geld oder sonstige Vergünstigungen erhalten habe. Gabriele habe sich in einer Stresssituation befunden. Er habe inzwischen genügend Zeit gehabt, um festzustellen, dass sein Vorgehen falsch war.



Ob das vatikanische Gericht dies auch so sieht? In den nächsten Tagen wird Staatsanwalt Nicola Picardi seine Anklage vortragen - wegen schweren Diebstahls. Dann muss das Gericht entscheiden, ob ein Prozess gegen den Kammerdiener eröffnet wird oder auch nicht.

Verteidiger Fusco rechnet mit Ersterem.



Parallel zu den Recherchen der Justiz haben auch die drei vom Papst eingesetzten Kardinal-Kommissare ihre Arbeit abgeschlossen, gab Lombardi weiter bekannt. Kardinal Julian Herranz habe dem Papst seinen Bericht vorgelegt. Rund 30 Personen seien befragt worden.

Namen und Inhalt bleiben aber ebenso geheim wie die Erkenntnisse und die Empfehlungen der Kardinäle.



Daher gehen auch die Spekulationen weiter. Mit ihrer These vom idealistischen und reuigen Einzeltäter ließen die Verteidiger manche Fragen offen. Denn irgendjemand müsse den als gutmeinend und schlicht beschriebenen Kammerdiener auf die Spur gebracht haben, so die Vermutungen. Wie und über wen kam der Kontakt zu dem Enthüllungsjournalisten Gianluigi Nuzzi zustande, der die Papstpapiere dann als Buch herausgab? Auf welchen Wegen und in welcher Form wurde das brisante Material transportiert?



Wilde Spekulationen

Vor allem italienische Medien hatten zuletzt breit über Motive, Mittäter, Mitwisser und Hintermänner spekuliert. Mancher vermutete sie in Kreisen der alten Garde, in Widersachern des Kardinalstaatssekretärs Tarcisio Bertone. Andere wollten unzufriedene Kurienvertreter am Werk sehen, die sich vom Papst oder seinen engeren Mitarbeitern ungerecht behandelt oder zurückgesetzt gefühlt haben könnten.



Eine deutsche Zeitung deutete Zusammenhänge an zwischen Vatileaks sowie Rivalitäten, Neid und Missgunst unter einigen Kurialen an - und nannte dazu auch einige Namen. Ein Vorgehen, das Lombardi "unkorrekt" und "unverantwortlich" nannte. Es sei unzulässig, Personen ohne ausreichende Beweise bloßzustellen, nur weil man gegen sie ein Motiv finden könnte. Zudem seien manche der Behauptungen schlichtweg falsch.



Der Schlüssel für das weitere Vorgehen in Sachen Vatileaks liegt maßgeblich bei Papst. Er kennt den Bericht der Kardinal-Kommissare und wird seine Folgerungen daraus ziehen. Ein starkes Signal hat er bereits vor Beginn der Ferien gesetzt, als er dem in Fokus mancher Attacken stehenden Bertone sein vollstes Vertrauen aussprach - und damit Rücktrittsspekulationen den Boden entzog.



Wichtig wird zudem sein, wie transparent der Vatikan mit dem "Fall Gabriele" umgeht und wie intensiv er dessen Hintergründe ausleuchtet. Daher wäre es sicher wenig hilfreich, wenn die erste Runde des Verfahrens auch die letzte gewesen sein sollte.