Kirche kritisiert Entwurf der PID-Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums

Nur ein Zentrum bundesweit

Der Leiter des Katholischen Büros, Prälat Karl Jüsten, hat den Entwurf der Rechtsverordnung zur Anwendung der Präimplantationsdiagnostik (PID) scharf kritisiert. Der Entwurf "wird von der Kirche abgelehnt", erklärte er im domradio.de-Interview. Bundesgesundheitsminister Bahr sei seiner Aufgabe nicht nachgekommen, eine handhabbare, rechtlich klare und einwandfreie Verordnung vorzulegen, die das Ziel einer Anwendung in engen Grenzen erfülle.

 (DR)

Jüsten stört sich vor allem daran, dass die Zahl der für die PID zugelassenen Zentren nicht begrenzt werden soll. "Eine Begrenzung der PID ist nur möglich, wenn sie an wenigen Zentren durchgeführt werden kann", erklärte Jüsten, der die Positionen der katholischen Kirche am Regierungssitz Berlin vertritt.



Auch die mögliche Vielzahl der Ethikkommissionen und deren Zusammensetzung kritisierte Jüsten. In den Gremien, deren Einrichtung laut Verordnung über Landesgesetze geregelt werden soll, sollen vier Mediziner, ein Ethiker, ein Jurist sowie zwei Patientenvertreter sitzen. "Bei Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit ist dies ein medizinisches Vetorecht", sagte Jüsten. Zudem seien die Fachrichtungen nicht spezifiziert.



Vertreter der Union befürchten eine Ausweitung der Fälle. Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe (CDU), sagte der Tageszeitung "Die Welt" (Freitagsausgabe), die Verordnung zu den Gentests an Embryonen sei "so formuliert, dass letztlich alle PIDs durchgeführt werden können, die nur verlangt werden". SPD und Grüne befürchten eine schlechte Qualität der Anwendungen, weil die Zahl der zugelassenen PID-Zentren nicht begrenzt werden soll. Die Kirchen stören sich an der Zusammensetzung der Ethikkommissionen.



Auch Hüppe kritisierte, dass in den Kommissionen vier Mediziner, aber nur ein Ethiker, ein Jurist sowie zwei Behinderten- oder Patientenvertreter vorgesehen sind. Weil es nicht nur eine Ethikkommission geben soll, äußerte Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) die Befürchtung, "dass wir künftig sehr große Unterschiede bei der Beurteilung dessen haben werden, wann eine PID zulässig ist und wann nicht". Laut Singhammer ist ebenfalls "nicht hinzunehmen, dass laut Entwurf den Ethikkommissionen keine Vertreter der Kirchen angehören sollen". Seine Parteikolleginnen Ingrid Fischbach und Maria Flachsbarth forderten die Zulassung allein einer unabhängigen und interdisziplinären Ethikkommission.



Für nur eine oder zumindest "ganz wenige" Kommissionen sprach sich auch der Vizepräsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland, Friedrich Hauschildt, aus. "Nur so wird eine einheitliche Entscheidungspraxis möglich sein", sagte er dem epd. Auch er forderte eine Beteiligung der Kirchen. Er halte es "weiter für geboten, dass die Perspektive der Seelsorge bei der Entscheidungsfindung ein ausreichendes Gewicht erhält", sagte Hauschildt. Laut Begründung der Verordnung kann der Platz des Ethikers in der Kommission durch einen Theologen besetzt werden.



Bundesgesundheitsministerium sieht Gefahr nicht

Auf Ablehnung stößt bei den Kritikern auch, dass die Zahl der zugelassenen PID-Zentren nicht begrenzt werden soll. Wenn es tatsächlich nur wenige PID-Fälle gebe, "wären jene vielen Zentren überhaupt nicht ausgelastet und könnten mangels praktischer Erfahrungen nicht die erforderliche Qualität gewährleisten", sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Birgitt Bender, der "Welt".



Ähnliche Befürchtungen gibt es auch in der SPD-Fraktion. Die frühere Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt und die Vize-Fraktionsvorsitzende Elker Ferner forderten, dass Zentren eine Mindestanzahl an Untersuchungen vorweisen müssten.



Im Bundesgesundheitsministerium werden diese Sorgen nicht geteilt. "Wir sehen die Gefahr nicht", sagte Sprecher Christian Albrecht. Es sei überhaupt nicht gesagt, dass die Anzahl der Zentren darüber bestimmt, wieviele Anwendungen der PID es geben werde.



Bei der Präimplantationsdiagnostik werden künstlich erzeugte Embryonen vor der Einpflanzung in den Mutterleib auf Erbkrankheiten untersucht. Im Juli 2011 hatte der Bundestag die Gentests in Ausnahmefällen gestattet. Die Verordnung, die die Rahmenbedingungen für die Anwendung absteckt, wurde nach Angaben des Ministeriums an Länder, Verbände und Ministerien versandt, die bis zum 20. August Stellung nehmen sollen. Wenn Kabinett und Bundesrat im Herbst zustimmen, soll die Verordnung Anfang 2013 in Kraft treten.