domradio.de-Chefredakteur zur Titanic-Debatte

"Ertragt einander…"

Das Satiremagazin Titanic hat als Reaktion auf eine einstweilige Verfügung des Hamburger Landgerichts sein Titelbild zurückgezogen. Die katholische Kirche war gegen die aktuelle Ausgabe vorgegangen. Das Titelbild der Ausgabe zeigte eine Fotomontage des Papstes mit einem Urinfleck im Schritt mit der Überschrift "Die undichte Stelle ist gefunden" als Anspielung auf den "Vatileaks"-Skandal. Dazu ein Kommentar von domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen.

Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / © Boecker
Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / © Boecker

Der vorerst gerichtlich gestoppte Titanic-Titel mit dem beschmutzten Papst ist nicht originell, er ist geschmacklos, er ist beleidigend und verhöhnend. Und er verletzt den Papst und viele, die ihm nahe stehen. Natürlich müssen sich Personen, die so sehr in der Öffentlichkeit stehen wie der Bischof von Rom, auch der öffentlichen Kritik stellen. Auch gegen eine satirische Auseinandersetzung ist selbstverständlich nichts zu sagen - und Satire darf und muss bisweilen wehtun. Die Frage ist immer, wo die jeweilige Schmerzgrenze liegt und wie weit diese überschritten wurde. In diesem Fall hat das Gericht dem Einspruch aus Rom erst einmal Recht gegeben. Das ist gut so.



Die kirchlichen Entscheidungsträger müssen sich aber fragen lassen, warum Sie erst aktiv wurden, nachdem die nun gestoppte Ausgabe bereits über eine Woche zum Verkauf in den Regalen gelegen hat. Das Tempo der Medienwelt und der kirchlichen Entscheidungen stimmt auch in diesem Fall leider nicht überein. Dass mit der jetzt verspätet ausgelösten richterlichen Entscheidung auch die letzten nicht verkauften Exemplare sich bestens unter das Volk bringen lassen und das vor sich hin dümpelnde Magazin einen neuen PR-Auftrieb erhält, macht die Sache leider nicht besser. Und alle, die jetzt laut aufschreien, müssen sich auch fragen lassen, wo ihr lautstarker empörter Protest bleibt, wenn Tag für Tag Menschen auf der ganzen Welt wegen ihrer religiösen Überzeugung nicht nur verlacht und verhöhnt, sondern bitter schikaniert, hart drangsaliert oder eiskalt ermordet werden.



Die Frage bleibt: Wie geht man mit Angriffen unter der Gürtellinie um? Wie verhält man sich richtig? Aufstehen oder Aussitzen? Laut protestieren oder nicht einmal ignorieren? Eine Patentlösung ist leider noch nicht gefunden. Bleibt der biblische Anspruch, der für jeden Christen gelten sollte: "Ertragt euch gegenseitig und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr." Vergebung, Nächstenliebe, ja sogar die eingeforderte Feindesliebe ist oft so schwer. Aber wenigstens Toleranz sollte dann doch möglich sein: Tolerare kommt aus dem lateinischen und heißt übersetzt "erdulden, aushalten, ertragen". Vielleicht können wir gemeinsam als Christen mit dem Papst tragen, was schwer zu ertragen ist.