Fragen und Antworten zur Beschneidung von Jungen

Schwierige Abwägung zwischen Grundrechten

Nach dem Beschneidungsurteil des Kölner Landgerichts reißt die Debatte über den Richterspruch nicht ab. Ein Überblick über wichtige Argumente und Entwicklungen in der Debatte.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Was bedeutet Beschneidung beim Mann?



Bei der Beschneidung wird die Vorhaut des Penis operativ teilweise oder ganz entfernt. Dies kann aus medizinischen oder hygienischen Gründen durchgeführt werden. So unterstützt die Weltgesundheitsorganisation seit mehreren Jahren Kampagnen für die Beschneidung von Männern in Afrika, um die Verbreitung von HIV einzudämmen. Oft hat die Beschneidung von Jungen aber auch religiöse oder kulturelle Gründe; sie symbolisiert auch die Aufnahme in die Gemeinschaft.



Wie viele Männer sind beschnitten?



Gegenwärtig sind nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen 25 und

33 Prozent der männlichen Weltbevölkerung beschnitten. In den USA liegt die Rate der Männer, die aus hygienischen Gründen bei der Geburt beschnitten werden, zwischen 40 und 60 Prozent. In Europa beträgt die Beschneidungsrate laut Weltgesundheitsorganisation nur rund 20 Prozent.



Wie begründen die Religionen die Beschneidung?



Unter den abrahamitischen Religionen wird die rituelle Beschneidung von Jungen nicht nur bei Juden und Muslimen, sondern auch von christlichen Kirchen, wie etwa der Koptischen un der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche sowie von afrikanischen Religionsgemeinschaften vorgenommen.



Im Koran ist die Beschneidung nicht erwähnt, aber ein obligatorischer Brauch. Für die meisten Juden ist die Beschneidung ein zentrales Element ihrer Religion und unerlässliches Zeichen für die Identität des Volkes Israel. Im frühen Christentum konnte sich die jüdische Tradition nicht durchsetzen.



Auf welche Bibel-Stelle berufen sich die Juden?



Im Buch Genesis (1. Buch Mose 17) befiehlt Gott dem Stammvater

Abraham: "Alles Männliche werde bei euch beschnitten; und ihr sollt das Fleisch eurer Vorhaut beschneiden. Und das soll das Zeichen des Bundes sein zwischen mir und euch." Deshalb soll jeder Junge im Alter von acht Tagen beschnitten werden.



Warum hat das Kölner Landgericht sich gegen die Beschneidung ausgesprochen?



Das Urteil ist Teil der Debatte, ob traditionelle religiöse Rituale wie das Kopftuch oder das Schächten, die nicht der christlichen Welt angehören, in die europäische Welt passen. Die Richter haben zwischen dem Grundrecht der Religionsfreiheit und dem Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit abgewogen und letzterem den Vorrang gegeben.



Wie lassen sich solche medizinischen und kosmetischen Eingriffe an Kindern rechtlich einordnen?



Nach Auffassung der Richter ist die religiöse Beschneidung ein irreparabler Eingriff. Auch wenn die Eltern zustimmen, handele es sich um eine unerlaubte Körperverletzung. Der irreversible Körpereingriff darf nur mit Einwilligung des Patienten geschehen. Wo dies unmöglich ist - wie etwa bei Säuglingen - bedarf es der Einwilligung durch die Eltern. Auch das Votum der Eltern darf das Wohl des Kindes nicht gefährden.



Wie reagieren die Religionsvertreter auf dieses Urteil?



Vertreter von Juden, Muslimen und der christlichen Kirchen haben das Urteil als Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Religionen und der Religionsfreiheit zurückgewiesen. Vertreter des Judentums forderten die Bundesregierung auf, Rechtsklarheit zu schaffen. Bei einem Verbot der Beschneidung sei jüdisches Leben in Deutschland unmöglich. Auch Vertreter der Muslime warnten vor einem Signal des Misstrauens gegenüber Migranten.



Gab es auch Zustimmung zu dem Urteil?



Zustimmung für das Kölner Urteil gab es von Kinderschutzinitiativen, Medizinern und vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten. Ärzteverbände verwiesen auf die unsichere Rechtslage und rieten ihren Mitgliedern, von rituellen Beschneidungen an Kleinkindern zunächst abzusehen. Die Mehrheit der Deutschen lehnt laut Umfrage die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen ab.