Indonesiens Christen erhoffen sich Rückhalt bei Merkel

Religionsfreiheit statt Panzerlieferungen

Seit einigen Jahren wächst in Indonesien die Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten. Betroffen ist auch die katholische Minderheit im Land. Ihr begegnet heute Angela Merkel. Die Christen erwarten viel von dem Treffen mit der Bundeskanzlerin.

Autor/in:
Michael Lenz
 (DR)

Theophilus Bela hofft auf eine Begegnung mit Angela Merkel. Die Gelegenheit dazu könnte sich dem Katholiken und Generalsekretär des "Indonesischen Komitees für Religion und Frieden" an diesem Dienstagabend während des Empfangs der Kanzlerin in der deutschen Botschaft von Jakarta bieten. "Ich möchte ihr von den Sorgen der Kirchen und der Minderheitsreligionen berichten", sagt Bela. "Allein in diesem Jahr hat es schon 53 gewaltsame Übergriffe und Fälle von Willkür gegen Kirchen gegeben."



Seit einigen Jahren wächst in Indonesien die Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten wie Christen, Schiiten oder islamischen Ahmadiya. Die einflussreichste Gruppierung im Land ist die militante Islamische Befreiungsfront (FPI). Sie verfügt nach eigenen Angaben über vier Millionen Mitglieder und offenbar auch über Sympathisanten bei Polizei und Militär. So gut wie nie wird sie für Gewalttaten zur Rechenschaft gezogen.



Wie weit ihr Einfluss reicht, zeigte die FPI im Mai, als es ihr gelang, ein Konzert der britischen Pop-Sängerin Lady Gaga in Jakarta zu verhindern. Die Show war ausverkauft, aber die Polizei erklärte sich außerstande, für die Sicherheit der 40.000 Fans zu sorgen. "Die Polizei hat sich dem Druck gebeugt. Die FPI ist zu einem Staat im Staat geworden", sagt Andreas Harsono, Sprecher der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" in Indonesien.



Machtloser Staat

Laut Verfassung ist Indonesien ein säkularer Staat. Zu deren Prinzipien gehört aber auch der "Glaube an den einen Gott". Zudem gelten im Grundrecht nur Islam, Buddhismus, Hinduismus, Protestantismus, Katholizismus und Konfuzianismus als anerkannte Glaubensrichtungen. In der Praxis heißt das: Jeder Indonesier muss in seinem Personalausweis eine dieser sechs Bekenntnisse eintragen lassen. Wer sich weigert - vielleicht weil er einer der vielen Stammesreligionen angehört -, erhält keinen Ausweis.



Wie machtlos der Staat gegenüber den Islamisten ist, zeigt der Fall der protestantischen Yasmin-Kirche in Jakartas Nachbarstadt Bogor. Obgleich das Oberste Gericht Indonesiens vor mehr als einem Jahr der Yasmin-Gemeinde den Betrieb ihrer Kirche erlaubt hat, setzte sich die Stadtverwaltung über das Urteil hinweg. Das Ergebnis ist ein Dauerstreit. Bela sagt: "Die Regierung lässt die Radikalen gewähren."



Dabei ist die große Mehrheit der Indonesier tolerant. Mehr noch: Viele engagieren sich tatkräftig für den Schutz religiöser Minderheiten. Zu Ostern und Weihnachten versammeln sich regelmäßig Nichtchristen vor den Gotteshäusern, um sie vor Angriffen zu schützen. So in Parung nahe Bogor, wo die katholische Gemeinde Santo Joannes Baptista immer wieder Ziel von islamistischen Attacken ist. Alexander Adrian, stellvertretender Gemeinderatsvorsitzender, sagt: "Die muslimischen Nachbarn unterstützen uns. Aber die Provinzregierung hat Angst vor den Fundamentalisten."



Nicht "den Cameron machen"

Auch die großen muslimischen Organisationen, etwa die rund 30 Millionen Mitglieder zählende Muhammadiyah, stehen offiziell für ein friedliches Miteinander der Religionen. Erst im Mai hatte Muhammadiyah mit der katholische Gemeinschaft Sant"Egidio ein Memorandum zur Zusammenarbeit unterzeichnet.  Kurz zuvor war es im Großraum Jakarta zu einer Reihe von Gewalttaten radikaler Muslime gegen christliche Kirchen gekommen.



Muhammadiyah-Präsident Din Syamsuddin beteuerte zwar den Willen zu einer Lösung des Konflikts. Er verwies aber auch auf die Grenzen eines "religiösen und theologischen" Einflusses auf die FPI. "Da spielen auch politische und wirtschaftliche Faktoren eine Rolle."



Der Katholik Bela wünscht sich, dass Merkel bei ihrer Begegnung mit Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono nicht "den Cameron macht". Großbritanniens Premierminister David Cameron hatte bei seinem Besuch im April die aufstrebende Wirtschaftsmacht Indonesien als Musterland der Religionsfreiheit gepriesen. Bela sagt: "Ich hoffe, die Kanzlerin spricht nicht nur über die Lieferung von Panzern an Indonesien."