Erzbischof Garfias über die Lage in Mexiko

"Die Angst im Land ist groß"

Mexiko hat am Sonntag mit dem 45-jährigen Enrique Pena Nieto einen neuen Staatspräsidenten gewählt. Erzbischof von Acapulco, Carlos Garfias Merlos, über die Situation im Land, die Anforderungen an den neuen Präsidenten und den Besuch von Papst Benedikt XVI. in Mexiko.

 (DR)

KNA: Erzbischof Garfias, Armut, Drogenkrieg und wachsende Unsicherheit: Die Probleme Mexikos sind groß. Welche Forderungen hat die Kirche an das neue Staatsoberhaupt?

Garfias: Eine der wichtigsten Forderungen ist der Wunsch nach mehr Sicherheit. Es ist für Mexiko sehr wichtig, dass wir neue Formen und Wege finden, die Sicherheitslage der Menschen zu verbessern. Die Angst im Land ist groß. Ein zweiter sehr wichtiger Aspekt ist, dass sich die neue Regierung um die Ärmsten kümmern muss. Wir müssen endlich diese extreme Armut überwinden. Es ist unglaublich und nicht hinnehmbar, dass es immer noch große Teile unserer Gesellschaft gibt, die von Grundversorgung wie fließendem Wasser oder Strom ausgeschlossen sind. Die Armut ist ja eine der Hauptursachen für die vielen und tiefgreifenden Probleme, die wir haben. Unsere Kinder und Jugendlichen brauchen mehr und besseren Raum für Bildung und Erziehung. Können Sie sich vorstellen, dass es im digitalen Zeitalter in unserem Bundesstaat immer noch Analphabeten gibt? Wir müssen in Bildung investieren.



KNA: Im Vorfeld der Wahlen gab es Berichte über Wahlmanipulationen. Wie bewerten Sie das?

Garfias: In der Tat gab es Befürchtungen, dass Stimmen gekauft oder manipuliert werden. Und Angst vor Gewalt, weil die Ergebnisse nicht akzeptiert werden könnten. Als Kirche wünschen wir uns von den staatlichen Institutionen, dass sie Ihre Aufgaben seriös und ehrlich ausführen und sich um das kümmern, wofür sie wirklich verantwortlich sind.



KNA: In den vergangenen sechs Jahren gab es im mexikanischen Drogenkrieg 60.000 Tote. Was kann die mexikanische Kirche tun, um die Gewalt einzudämmen?

Garfias: Die Kirche kann keine fertigen Konzepte liefern. Was wir können, ist auf unsere Art für den Frieden zu kämpfen. Vor Ort arbeiten wir intensiv in einer Initiative "Acapulco für den Frieden" mit, die von einer breiten Schicht der Zivilgesellschaft getragen wird. Friedenserziehung ist meiner Ansicht nach ein Schlüssel, um die Gesellschaft nachhaltig zu verändern. Wir versuchen, aus unseren Pfarrern Konstrukteure des Friedens zu machen. Aber wir dürfen auch die Opfer der Gewalt nicht vergessen. Wir haben ein Pilotprojekt gestartet, das den Opfern oder Hinterbliebenen Hilfe anbietet, denn wenn wir diese Menschen allein lassen, entsteht neue Gewalt. Und genauso wichtig ist, dass wir den Zeugen von Gewaltverbrechen beistehen, damit sie mit ihrer Aussage nicht allein gegen die organisierte Kriminalität stehen.



KNA: Vor gut drei Monaten war Papst Benedikt XVI. in Mexiko. Welche Auswirkungen hatte der Besuch?

Garfias: Der Besuch des Papstes hat zweifellos zu einer Revitalisierung der Kirche in Mexiko geführt - und zu einer neuen Begeisterung für den Glauben. Bei all den Problemen, die Mexiko derzeit hat, war dieser Besuch eine Ermunterung, für das Gute zu kämpfen. Diese Reaktion habe ich auch von Nicht-Katholiken erhalten, die sich vom Besuch Benedikts XVI. beeindruckt gezeigt haben. Zudem hat die Visite auch die Gespräche zur Reform von Artikel 24, der die Beziehungen zwischen Staat und Kirche regelt, einen ordentlichen Schritt vorangebracht.



Das Gespräch führte Tobias Käufer.