Die Piusbruderschaft wählt Sprachbilder des Scheiterns

Tischtennisbälle des Herrn

Drohung oder festgestelltes Scheitern: Die Gespräche von Vatikan und der ultrakonservativen Piusbruderschaft seien "an einem toten Punkt" angekommen, sagt der Generalobere Bernard Fellay. Widersprüchlich zeige sich Rom. Die Bruderschaft sei da in die Mitte geraten, "wie ein Tischtennisball, auf den alle Welt einschlagen" könne, schimpft Fellay.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Niemand soll sagen, der Kirche sei die Prophetie abhandengekommen. Auguren jeder kirchenpolitischen Provenienz sahen in den vergangenen Monaten die Waagschale mal Richtung Einigung, mal Richtung Scheitern sich neigen. Der Vatikan und die ultrakonservativen Piusbrüder: ein Brunnen vermeintlicher Geheimnisse mit "Leaks" auf beiden Seiten.



Sieben Monate und diverse Textvarianten später

Im September 2011 hatte der Vatikan der Leitung der "Priesterbruderschaft St. Pius X." eine "Lehrmäßige Erklärung" zur Unterzeichnung vorgelegt. Falls die Piusbrüder diesen grundlegenden Glaubenslehren zustimmten, könnten Gespräche über eine mögliche Wiederaufnahme in die katholische Kirche aufgenommen werden. Eigentlich ein Ultimatum - so konnte man es interpretieren. Seitdem allerdings sind volle sieben Monate ins Land und diverse Textvarianten hin- und hergegangen.



Die ersten Antworten aus dem Pius-Mutterhaus im schweizerischen Econe, soviel dürfte feststehen, stießen in Rom nicht auf Zustimmung. Im April schließlich ein Treffer. Vatikansprecher Federico Lombardi ließ öffentlich ein "viel besser" verlauten. Seitdem standen die Zeichen eher auf Einigung - inklusive der (je nach Standpunkt) vorweggenommenen Freude über eine künftige Neubekehrung Roms, Warnungen davor, in eine angebliche "römische Falle" zu tappen, und Klagen, der Vatikan setze für ein paar versprengte "Ewiggestrige" den Glaubensschatz des Zweiten Vatikanischen Konzils aufs Spiel.



Vertrauliches landet in Blogs, Chats und Portale

Plattform für all das ist vor allem das Internet mit seinen Blogs, Chats und Portalen. Dort stehen sie immer ganz schnell, die "vertraulichen", "internen" und "geheimen" Schreiben: als elektronische Faksimiles, in raschen Übersetzungen oder als geraunte Gerüchte. Vaticanisti twittern in Echtzeit, welchem französischen Kleinwagen welcher Farbe der Generalobere soeben vor dem Sitz der Glaubenskongregation entstiegen sei.



Am Freitag nun, am katholischen Hochfest Peter und Paul, predigte Fellay in Econe vor versammelten Würdenträgern und Gläubigen der Bruderschaft. Er brach damit in gewisser Weise ein Schweigen - denn offizieller Stellungnahmen hatte er sich zuletzt, von zwei Interviews abgesehen, tatsächlich enthalten. Es habe aber auch "nichts Großes zu sagen" gegeben.



Piusbrüder beschreiben Rom als wankelmütig

Was er nun predigte, reiht sich ein in kräftige Bilder, die die Piusbrüder als standhaft und Rom als wankelmütig und zerstritten darstellen. Erneut zeichnete Fellay das Bild einer widersprüchlichen römischen Kirche, in der einige "ziehen, um immer weiter auf dem Weg des Progressismus zu gehen", andere dagegen, wie Papst Benedikt XVI., "Korrekturen vornehmen" wollten. Die Piusbruderschaft sei in die Mitte geraten, "wie ein Tischtennisball, auf den alle Welt einschlagen" könne. "Der Teufel ist von allen Seiten von der Kette gelassen", so der Generalobere.



Das klingt weniger werbend und versöhnlich als noch Mitte Mai, als Fellay der US-Nachrichtenagentur CNS sagte: "Wir wollen nicht aggressiv sein, wir wollen nicht provozieren." In einer Periode wachsenden Einflusses progressiver Kräfte in der Kirche habe die Piusbruderschaft vor allem als "Zeichen des Widerspruchs" gedient.



"An einem toten Punkt"

Nun sagt er, die Verhandlungen seien "an einem toten Punkt". Das ist ein Wort. Es bestätigt, was vor einigen Tagen Generalsekretär Christian Thouvenot in einem als "vertraulich" gekennzeichneten Rundschreiben erklärte: Die vom Vatikan vorgelegte Textversion sei für die Bruderschaft "eindeutig inakzeptabel"; man könne sie so nicht unterzeichnen.



Ist das eine Drohung in Richtung Glaubenskongregation oder schon die Feststellung eines Scheiterns? In den kommenden Tagen berät in der Schweiz das Generalkapitel der Piusbrüder - ohne den wegen Illoyalität eigens ausgeladenen Holocaustleugner Richard Williamson, aber mit den beiden Hardlinern Bernard Tissier de Mallerais und Alfonso de Gallareta. Für sie, auch das ist kein Geheimnis, wäre ein Scheitern der Verhandlungen ein Erfolg. Als Drei-Sterne-Bälle, so der von ihnen selbst vermittelte Eindruck, kann ihnen das Pingpong-Spiel mit Rom ohnehin nichts anhaben.





Hintergrund: Piusbruderschaft

Die Priesterbruderschaft St. Pius X. wurde 1969 vom französischen Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991) gegründet. Die Gemeinschaft lehnt die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) ab, insbesondere die erneuerte Liturgie, die Religionsfreiheit und die Ökumene als Dialog mit den Konfessionen und Religionen. Die Konzilslehren hätten die Tradition der Kirche zerstört, so Lefebvre, der selbst als Ordensoberer am Konzil teilnahm. In Konsequenz zu dieser Auffassung sieht sich die Piusbruderschaft als Bewahrerin der Tradition der "Heiligen Römischen Kirche".



In ihren Anfangsjahren war die Piusbruderschaft kirchlich anerkannt. Zunehmend zeigte sich aber ihr antikonziliarer Charakter. 1975 entzog Rom der Gemeinschaft die kirchenrechtliche Legitimation. Nach unerlaubten Priesterweihen wurde Lefebvre 1976 von seinen bischöflichen Funktionen suspendiert. Als er 1988 ohne päpstliche Zustimmung vier Priester seiner Bruderschaft zu Bischöfen weihte, zogen sich alle fünf die "Tatstrafe der Exkommunikation" zu. Die Weihen Lefebvres sowie die der von ihm Geweihten sind nach dem Kirchenrecht zwar unrechtmäßig, aber gültig.



Papst Benedikt XVI. ließ 2007 die alte lateinische Messe wieder allgemein zu und erfüllte damit eine Bedingung der Bruderschaft für die Aufnahme offizieller Gespräche. Am 21. Januar 2009 hob er als Versöhnungsgeste die Exkommunikation der Bischöfe der Piusbruderschaft auf, eine weitere Bedingung. Damit haben diese die Rechte katholischer Laien; die Ausübung kirchlicher Ämter ist ihnen aber weiter untersagt.



Seit Ende 2009 gab es im Vatikan mehrere Gesprächsrunden mit Vertretern der Bruderschaft über strittige Lehrfragen. Am 14. September legte der Vatikan der Leitung der Piusbrüder eine "Lehrmäßige Erklärung" über grundlegende Glaubenslehren der katholischen Kirche zur Unterzeichnung vor. Davon hängt nun eine mögliche Wiedereingliederung der Bruderschaft in die katholische Kirche ab.