Paraguays Präsident Fernando Lugo abgesetzt

"Ein Schlag gegen die Demokratie"

Der ehemalige katholische Bischof Fernando Lugo wurde von den Paraguayern 2008 zum Staatsoberhaupt gewählt. Damit endete die langjährige Colorado-Herrschaft. Über sechzig Jahren hatte die traditionelle und konservative Partei regiert, Korruption gehörte zum Alltag. Der linke Katholik sagte Korruption und Armut den Kampf an. Nun wurde er abgesetzt.

 (DR)

Gefasst trat der paraguayische Präsident Fernando Lugo vor die Kameras, bestimmt sprach er ins Mikrofon. "Es ist nicht Fernando Lugo, der heute einen Putsch erleidet", sagte der Staatschef am Freitagabend in der Hauptstadt Asuncion. "Es ist Paraguay und die Demokratie, denen man einen Schlag verpasst." Zugleich versicherte der scheidende Präsident: "Ich werde mich weiterhin für die Armen und Randständigen einsetzen." Nicht nur die Bevölkerung in Paraguay, ganz Südamerika war verblüfft darüber, dass und wie rasch der Staatschef abgesetzt wurde.



Innerhalb von 48 Stunden hatte man dem 61-Jährigen einen politischen Prozess gemacht. Am Donnerstag erhob das Abgeordnetenhaus eine Amtsenthebungsklage und am Freitag sprachen sich die Senatoren für Lugos Absetzung aus. Südamerikanische Medien bewerteten dies als parlamentarischen Staatsstreich.



Auslöser waren Zusammenstöße zwischen landlosen Bauern und Polizisten vor gut einer Woche. Die Polizei hatte versucht, Landbesetzer aus einem Gut nordöstlich von Asuncion zu vertreiben. Dabei kam es zu mehrstündigen Gefechten. Elf Bauern und sechs Polizisten wurden getötet, mehr als 80 Menschen zum Teil schwer verletzt. Lugo wurde für diesen Vorfall "als Hauptverursacher" verantwortlich gemacht. Schon mehrfach wurde versucht, Lugo aus dem Amt zu hebeln. Der sozialausgerichtete Politiker war vor allem für die alte Elite und die einflussreichste Partei im Land, die Colorados, ein unliebsamer Präsident. Bisher gab es jedoch für ein Amtsenthebungsverfahren keine parlamentarische Mehrheit.



Heimlicher Vater

Vor seiner politischen Karriere war Lugo mehr als zehn Jahre im Departement San Pedro, im Landesinnern Paraguays, als Bischof tätig gewesen. Der Vatikan suspendierte den Befreiungstheologen im Jahr 2006 und versetzte ihn 2008 in den Laienstand.



Nach offiziellen Angaben soll dies auf Wunsch Lugos passiert sein, da er sich ganz seiner politischen Karriere widmen wollte. Die Verfassung in Paraguay lässt keine Kandidatur von Geistlichen zu. Hinter vorgehaltener Hand hieß es, dass die Kirche von den "Abenteuern" des Bischofs seit langem wusste. Dass Lugo erst Anfang Juni ein weiteres Kind anerkennen musste, hat seiner Position in den vergangenen Tagen nicht geholfen.



Am Donnerstag forderten ihn auch die Bischöfe in Paraguay zum Rücktritt auf. "Um die Spannung im Land zu lösen," so der Vorsitzende der Bischofskonferenz Claudio Gimenez nach einem Treffen mit Lugo.



Lugo trat sein Amt vor vier Jahren mit der Unterstützung eines breiten Parteienbündnisses an. Bald aber kam es zu ideologischen Auseinandersetzungen. Ab 2009 verschlechterte sich die Beziehung zu Vizepräsident Federico Franco von der Liberalen Partei. Heute gilt Franco als Gegner Lugos. Bis zu den neuen Präsidentschaftswahlen im April 2013 ist nun der 50-jährige Liberale neues Staatsoberhaupt.



Südamerikas Staatsoberhäupter äußerten sich besorgt über die Lage in Paraguay und erklärten die Absetzung Lugos als verfassungswidrig. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff forderte, Paraguay aus der Union Südamerikanischer Staaten (UNASUR) und dem Wirtschaftbündnis Mercosur auszuschließen.



Lugo widersetzte sich am Freitag wider Erwarten nicht seiner Amtsenthebung. Den einen oder anderen Seitenhiebe verteilte er in seiner letzten Rede als Staatschef dennoch: "Lugo bandelt nicht mit der politischen Klasse, der Mafia oder Drogenhändlern an." Er würde sich nun als Präsident verabschieden, wer aber "von einem anderen Paraguay träumt, kann immer mit einem Lugo rechnen".



Franco wehrt sich gegen Putschvorwurf

Franco hat derweil die Nachbarländer zu Verständnis aufgerufen. In Paraguay haben er Rechtsstaat und die demokratischen Ordnung weiterhin volle Gültigkeit, sagte Franco am Samstag. Er wehrte sich gegen den Vorwurf, es habe einen Staatsstreich gegeben. "Es hat keinen Putsch gegeben. Es war ein Amtswechsel im Rahmen der Verfassung", so der Präsident.



Spanien, der Vatikan und Deutschland haben Paraguays neue Führung mittlerweile anerkannt, berichtet die Tageszeitung "ABC Color". Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel war am Freitag als erster ausländischer Minister mit Präsident Franco zusammengekommen. "Mein erster Eindruck ist, dass der Amtswechsel nach den Regeln der Verfassung abgelaufen ist", sagte Niebel nach dem Treffen. Niebel war am Freitag zu einem lange geplanten Besuch nach Paraguay gekommen. Dagegen haben die Nachbarstaaten Venezuela, Argentinien Bolivien und Ecuador eine Anerkennung der neuen Regierung bisher abgelehnt.